Aaron: Blutengel Band 2 (German Edition)
könnte der Verkünder seinen Vater vom Bann befreien. Aber wie soll ihm das gelingen?»
Selbst ein Erzengel vermochte die Gewalten nicht zu täuschen.
«Exsolutio», sinnierte Ernest.
«Erlösung? Du glaubst daran?»
Aaron hatte von dieser Legende gehört, sie aber als Wunschdenken der Verbannten eingestuft.
«Vielleicht ist es doch nicht nur ein Mythos.»
Ernests Worte stimmten ihn nachdenklich. Aaron erinnerte sich an das, was ihm seine Mutter einst erzählt hatte. Bereits vor der Rebellion sympathisierten einige Engel mit Luzifer und begehrten gegen die göttlichen Befehle auf. Sie fühlten sich dazu berufen, die Menschen selbst für ihre Sünden zu bestrafen, und handelten in purer Willkür. Dafür wurden sie ins Fegefeuer verbannt. Der Beginn der Rebellion. Und einer dieser Engel war Seraphiel. Der Name seines Feindes schmeckte bitter auf seiner Zunge.
«Aber wie …?»
«Die Prophezeiung über das Exsolutio ist in einem Buch von der Erleuchteten niedergeschrieben worden. Es wäre für die Apokalyptiker von unschätzbarem Wert. Es konzentriert sich auf den Nephilim, der die Gabe besitzt, die im Fegefeuer gefangenen Engelseelen zu erlösen. Wenn dieses Buch in die Hände des besagten Nephilim gerät, könnte er Seraphiel und all die anderen aus der Verbannung befreien.»
«Und du glaubst, dass der Verkünder dieses Buch bereits besitzt?»
Ernest schüttelte den Kopf. «Ich glaube eher nicht, sonst hätte er doch bereits seinen Vater erlöst.»
«Vielleicht hat er die Frauen entführt in der Hoffnung, dass sie etwas über den Verbleib des Buches wissen?»
Nicht auszudenken, welche Macht der Verkünder besitzen würde, wenn es sich bestätigte, dass er der besagte Nephilim war. Die Vorstellung löste in Aaron Entsetzen aus. Er musste dieses Buch finden, noch bevor es in dessen Hände gelangte. Niemals durfte Seraphiel seinem Gefängnis entkommen und einen Schritt in diese Welt setzen!
«Finde das Buch und verhindere, dass Seraphiel und die anderen ihre Freiheit erlangen. Diese Sekte muss zerschlagen werden.»
Ernest besaß ein persönliches Interesse daran, die Apokalyptiker zu vernichten. Vor einiger Zeit war auch seine Schwester Tessa in die Fänge der Satanisten geraten und nur dank Nathanael ihrem bereits sicheren Tod entronnen.
Aaron sah ihm an, wie sehr die Vergangenheit noch immer an Ernest nagte, wie er sich mit Selbstvorwürfen quälte. «Mach dir keine Vorwürfe, jeder kann sich in Menschen täuschen», versuchte Aaron den Freund zu beruhigen.
«Ich hätte sehen müssen, was um mich herum vorging, aber ich war blind. So blind!» Ernest schlug die Hände vors Gesicht.
«Was meinst du, wie oft ich mir die Frage gestellt habe, ob meine Mutter und mein Stiefbruder noch leben könnten, wenn ich nicht vom Ehrgeiz besessen gewesen wäre. Oder Cynthia, wenn ich eher auf der Versammlung eingegriffen hätte. Aber es ist gelaufen.»
«Tessa wird mir nie verzeihen.» Er stöhnte auf.
«Sie ist doch bei dir gewesen, nicht wahr?»
Ernest nickte.
«Sie hat dir verziehen, nur du selbst kannst es nicht.»
In den Augen des Freundes leuchtete es hoffnungsvoll auf. «Du hast recht. Ich kann einfach nicht vergessen. Fast hätte ich Tessa verloren! Es tut mir leid, dass auch du Menschen verloren hast, die dir etwas bedeuten.»
Aaron schwieg. Seine Rachegedanken waren das Einzige, das ihn am Leben erhalten hatte und ihn jetzt vorantrieb. Ernest sah ihn nachdenklich an. Er lehnte sich im Stuhl zurück und rückte seine Brille zurecht.
«Rache macht blind. Was ist, wenn wir uns irren und der Verkünder doch nicht Seraphiels Sohn ist?»
Aarons Kopf ruckte hoch. «Ich habe bei dieser Versammlung die gleichen dunklen Schwingungen gespürt wie damals, als Seraphiel seinen Rachefeldzug begann und das Haus meiner Mutter anzündete.»
Er hielt kurz inne und holte tief Luft, um alles aus seiner Erinnerung zurückzurufen. Die Schwingungen hatten auf seiner Haut wie Glaswolle gekratzt. Das hatte er sich nicht eingebildet.
«Ich stand in seiner Nähe und habe die Schwingungen gefühlt. Ich bin mir ziemlich sicher, dass der Verkünder Seraphiels Nephilim ist. Meine Sinne haben mich noch nie im Stich gelassen. Und ich werde ihn finden.» Aaron las Zweifel und Angst in Ernests Miene. «Hey, mir wird nichts passieren.» Er lächelte Ernest aufmunternd zu.
«Möge der Herr mit dir sein.» Ernest ging um den Schreibtisch herum und umarmte ihn zum Abschied.
Es war schon dunkel, als Aaron die Wohnung des Priesters
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