Aaron: Blutengel Band 2 (German Edition)
du dich nicht mehr an mich erinnern», flüsterte Aaron.
Giovanni würde einen kurzen Augenblick schlafen. Zeit genug für ihn, übers Dach zu fliehen. Als die Beine des Alten einknickten, legte Aaron ihn behutsam auf den Boden. Schließlich schulterte er Reisetasche und Koffer und sprintete die Treppe ins Obergeschoss hinauf.
Als er übers Dach des Palazzos kletterte, schallten die Stimmen der Polizisten schon zu ihm herauf . Vielleicht fand er Antworten im Palazzo degli Angeli. Es hatte zwar zu regnen aufgehört, aber nun war es drückend schwül. Noch immer grollte Donner in der Ferne. Das Regenwasser plätscherte in Bächen durch die Straßenrinnen. Er fühlte die Nähe der Hölle, als öffneten sich auf einen Schlag deren Feuerspalten, um alles Leben zu vertilgen.
Die arglosen Römer, die den Guss abgewartet hatten, strömten zur U-Bahn. Aaron beschloss, dem Andrang zu entgehen, und setzte seinen Weg zum Palazzo degli Angeli zu Fuß fort. Dabei grübelte er über den Tod des Kardinals nach.
Weshalb hatte dessen Körper sich selbst entzündet? Hatte auch er womöglich seine Seele Luzifer verschrieben? Warum hatte man den Kardinal getötet? Die Fragen rissen nicht ab. Aaron stöhnte innerlich auf. Er setzte alle Hoffnung auf Alessandro.
«Aaron!»
Er zuckte leicht zusammen, als er plötzlich die Stimme seines Vaters hörte. Der Erzengel trat mit starrer Miene auf ihn zu. Die weißen Schwingen funkelten im Licht der Laternen, als wären sie mit unzähligen Edelsteinen bestückt.
«Was willst du, Vater? Ist es wegen des Kardinals?»
Sicher wusste Uriel bereits vom Tod des Geistlichen. Aaron wartete auf die Vorwürfe seines Vaters, weil er den Mord an Rossi nicht verhindert hatte.
«Sein Tod stellt uns vor ein großes Problem.» Die steile Falte zwischen Uriels fein gezeichneten Brauen verriet, wie besorgt er war. Aaron sah ihn fragend an. «In seinem Besitz befand sich das Exsolutio.»
Jetzt wurde Aaron klar, was der Kardinal mit seinen letzten Worten hatte ausdrücken wollen, und … Wut stieg in ihm hoch.
«Dann hast du deine Hände im Spiel gehabt, damit ich den Job bei Rossi bekomme, um Luzifers Gefolge abzuhalten?»
Aaron fühlte sich von seinem Vater hintergangen.
«Du brauchtest einen Job und Rossi war mir einen Gefallen schuldig. Das Buch war sicher verwahrt. Als er bedroht wurde, blieb mir keine Wahl.»
«Du hättest mir sagen müssen, dass er dieses verfluchte Buch aufbewahrt!» Aaron stemmte die Hände in die Hüften und funkelte seinen Vater vorwurfsvoll an.
«Ich konnte nicht. Niemand durfte davon erfahren. Deine Gedanken hätten dich womöglich verraten. Je weniger Eingeweihte, desto besser.»
Die Erklärung seines Vaters leuchtete Aaron ein, dennoch enttäuschte ihn das mangelnde Vertrauen des Erzengels in seine mentalen Fähigkeiten. «Nun ist es doch ans Licht gekommen.»
«Rossi muss sich noch jemandem anvertraut haben. Jemandem vor Ort, vielleicht unserem Verräter.»
Uriel ballte die Faust und verhehlte nicht, wie sehr ihn das aufbrachte. Der Verräter konnte nur jemand sein, der Rossi und den Engeln nahe stand und gleichzeitig mit der Sekte kooperierte. Und dieser jemand könnte durchaus im Palazzo degli Angeli zu finden sein. Aaron fühlte sich elend, wenn er daran dachte, Freunde zu verdächtigen.
«Und du glaubst, dass der Verräter im Palast der Engel zu suchen ist.»
Der Erzengel nickte. Die Ausbildung des Verkünders, Rossis Tod, die Teile fügten sich zusammen.
«Suche nach dem Buch. Es darf weder Rom verlassen, noch in die Hände des Nephilim gelangen. Uns bleibt nicht mehr viel Zeit.»
«Du kannst dich auf mich verlassen, Vater», bekräftigte Aaron, doch Uriel war bereits verschwunden.
Eine Stunde später stand Aaron vor dem gelben Gebäude mit den romanischen Torbögen, die sofort die Erinnerungen an seine Ausbildung aufkommen ließen. Sein Blick glitt über die Fassade, von der Putz und Stuck abbröckelten. Alles sah noch genauso aus wie damals. Aaron lief an der Mauer entlang.
«Aaron? Ich glaub es nicht. Du wieder zurück?»
Ganz in Gedanken versunken hatte Aaron die Schritte überhört. Er wandte sich zu Alessandro, seinem ehemaligen Lehrmeister, um. Die dunklen Schwingungen, die ihn als Nephilim identifizierten, prickelten auf Aarons Haut. Früher hatte er das nicht gespürt. Sollte sich Hams Vermutung bestätigen oder war er nur im Laufe der Jahre sensibler geworden?
Manche Mischwesen wuchsen als Kuckuckskinder in der Obhut von Menschen auf, um sie vor
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