Ab 1000 Meter wird geduzt!: Aus dem abgefahrenen Leben eines Skilehrers (German Edition)
von gebackenem Teig, angeblich wurde ja hier die Pizza erfunden. Ich hätte ewig dort sitzen können. Die bildhübschen Italienerinnen stolzierten mit ihren prall gefüllten Einkaufskörben vorbei, und ungehobelte Männer pfiffen ihnen nach, doch schon am nächsten Tag musste ich wieder in meinem Bus sitzen, bis dahin würde sich der Muskelkater in meinen Armen hoffentlich erledigt haben.
Die meisten meiner Franzosen sprangen erst mal ins Meer, bevor sie sich wieder in den Bus setzten und mit mir die Sehenswürdigkeiten dieser Stadt abklapperten. Da kam eine Abkühlung im Golf von Neapel gerade recht. Ich bettete früh mein müdes Haupt, denn die Straßen Neapels würden mir einiges abverlangen. Die Nacht war unruhig, in meinen Träumen vibrierte das Bett, und viel zu früh drangen grelle Sonnenstrahlen in mein Zimmer, aber es half nichts. Meine Franzosen waren nach dem Frühstück vollzählig angetreten, und los ging’s: Nach diversen Kirchen und Klöstern brachte ich die Gruppe so nah es ging an den Vulkan heran: Auf 1017 Metern endete die Straße, die restlichen 263 Höhenmeter mussten zu Fuß zurückgelegt werden. Ich blieb in meinem Bus und holte ein paar Stunden Schlaf nach.
Am nächsten Tag dann (fast) das gleiche Spiel: Diesmal fuhr ich diverse Paläste und Villen an, und zum Schluss lud ich die ganze Mannschaft vor der Galleria Umberto I. ab, eine der weltweit ersten großen Einkaufspassagen, die Ende des 19. Jahrhunderts nach Mailänder Vorbild erbaut worden war. Den direkten Vergleich konnte sie dann bei unserem nächsten Halt in Mailand anstellen. Doch bis dahin lagen weitere fast 800 Kilometer vor mir, einmal den kompletten italienischen Stiefel wieder hoch gen Norden. Das Gepäck war verstaut, die Fahrgäste erschöpft, aber glücklich, und so machten wir uns auf den Weg – mit ungewuchteten Reifen. Vorne in der ersten Reihe saß meine sympathische Reiseführerin und zitterte mit. Gegen Mittag steuerte ich eine Autobahnraststätte an, einige wollten nur einen Kaffee trinken, andere hatten Hunger, und auch mir knurrte der Magen, ich erledigte ja auch einen Knochenjob, härter als auf jeder Baustelle. Nun kauften meine Fahrgäste und ich diverse Bons für Essen und Getränke, standen damit am reich gedeckten Buffet, und uns lief schon das Wasser im Munde zusammen. Doch kurz bevor ich an die Reihe kam, ertönte eine dumpfe Glocke. Die junge Frau hinter der Theke schaute kurz auf, band ihre Schürze ab und ließ uns einfach stehen. Was war passiert? Hatte sie Feierabend, Mittagspause oder ein Rendezvous? Nichts dergleichen: In Italien wurde gestreikt!
Da warteten jede Menge hungrige und durstige Reisende und tobten, aber das interessierte hier niemanden.
Mit nichts als Wut im Bauch ließ ich aus lauter Rache einen Teddybär, der mich so freundlich und aufmunternd anschaute, unter meinem Arm mitgehen. Erwischen konnte mich ja keiner, denn nirgendwo sind die Italiener schneller als beim Streiken.
In Windeseile waren alle verschwunden, nun standen nur noch völlig verdutzte Menschen herum, einige schimpften laut, aber das änderte auch nichts. Frustriert schlurften wir alle wieder zurück zum Bus. Noch nicht einmal einen Kaffee hatten wir bekommen, geschweige denn eine anständige Mahlzeit. Vorne auf meinem Armaturenbrett saß das niedliche Stofftier und begleitete uns zitternd nach Mailand. Als die Stadt endlich am Horizont auftauchte, hätte ich am liebsten zuerst im berühmten Dom eine Kerze angezündet. Aber an solche Vergnügen war nicht zu denken, denn auch in dieser Stadt wartete zunächst das Parkplatzproblem auf mich. In Rom hatte ich meine Lektion gelernt, vor dem Hotel würde ich meinen Bus natürlich nicht noch einmal abstellen, dort hielt ich nur kurz, damit meine Franzosen mitsamt Gepäck aussteigen konnten.
Mit zitternden Reifen und vibrierendem Lenkrad verzichtete ich auf eine Stadtrundfahrt zwecks Parkplatzsuche und stellte das Gefährt kurzerhand am Bahnhof ab. Das erschien mir eine clevere Lösung. Außerdem standen hier noch weitere Reisebusse, das konnte also nicht verboten sein. Ich war beruhigt, mein Gefährt hatte einen Schlafplatz, und ich konnte mich ins Mailänder Getümmel stürzen.
Eine ordentliche Portion Pasta, ein kühles Gläschen Wein, und die Strapazen der letzten Tage waren vergessen. Satt und zufrieden schlief ich den Schlaf des Gerechten und war am nächsten Morgen pünktlich und zur Abfahrt bereit am Bahnhof, wo ich schon sehnsüchtig erwartet wurde. Nein, ich
Weitere Kostenlose Bücher