Ab 1000 Meter wird geduzt!: Aus dem abgefahrenen Leben eines Skilehrers (German Edition)
hatte am Abend kein Techtelmechtel mit einer feurigen Mailänderin angefangen. Ein paar finster dreinblickende Typen begrüßten mich mit den Worten: »Wir bekommen 50 000 Lire.« (Heute etwa 26 Euro).
Vorsichtshalber warf ich erst einmal einen genauen Blick auf meinen Bus und zählte: vier Räder. Er stand immer noch an Ort und Stelle, war glücklicherweise unbeschädigt, aber im Gegensatz zum vorigen Tag blitzblank. »Wir haben deinen Bus gewaschen.«
»Wie bitte?« Das amüsierte mich. »Ich habe niemanden gebeten, meinen Bus zu waschen.«
»Das ist die Regel. Wer hier seinen Wagen abstellt, der will, dass man ihn wäscht.« Mir war schon klar, dass es klüger war, sich nicht mit den Herren anzulegen, aber so schnell wollte ich nicht klein beigeben, einen Versuch hatte ich noch: »Ich habe keinen Auftrag erteilt.« Mittlerweile waren auch ein paar andere Busfahrer auf unsere kleine Meinungsverschiedenheit aufmerksam geworden. Ein Holländer, wie man unschwer am Akzent erkannte, schlenderte zu uns herüber: »Kollege, ich gebe dir einen guten Tipp: Bezahl das Geld, sonst kannst du deinen Bus in Einzelteilen aus Mailand heraustragen.« Er schien einschlägige Erfahrungen mit Mailänder Autowäschern gemacht zu haben. Mir blieb also nichts anderes übrig, als den »Service« zu bezahlen. Nun wartete eine anstrengende Heimreise auf mich, aber ich wäre nicht Willi Mathies, wenn ich nicht auch diese Tour mit Bravour bewältigt und meine Gäste sicher zurückgebracht hätte.
Doch manchmal konnte selbst ich nichts ausrichten. So wie bei dem schweren Unfall, dessen Zeuge ich wurde, als ich in Ingolstadt für die Südpetrol arbeitete, eine Firma die Erdölraffinerien baut. Jeden Morgen in aller Herrgottsfrüh fuhren mein Kollege Hans und ich gemeinsam zur Schicht. Eines Tages krachten plötzlich vor uns zwei Autos frontal ineinander. Es gab einen mörderischen Knall. Schlagartig waren wir hellwach, lenkten den Wagen an den Straßenrand und rannten zum Unfallort. Der eine Wagen brannte lichterloh. Nun galt es, die beiden Insassen, zwei Frauen, aus dieser Hölle zu befreien. Die Beifahrerin hing halb heraus, und so konnte ich ihren Arm greifen und sie vorsichtig aus dem Auto ziehen. Erst einmal legten wir die Schwerverletzte an die Seite, denn die Fahrerin befand sich ja noch immer im Wagen, aus dem uns meterhohe Flammen entgegenschossen. Wir versuchten es zuerst auf ihrer Seite, aber die Tür war durch den Unfall total eingedrückt und klemmte. Auch von der anderen Seite hatten wir keine Chance, das Feuer hatte sich schon zu sehr ausgeweitet. Sie verbrannte in ihrem Auto, auch die Beifahrerin hatte den Unfall nicht überlebt. Als Nächstes hielten wir Ausschau nach dem zweiten Unfallteilnehmer. Sein Wagen wurde bei dem Zusammenprall in eine nahe gelegene Wiese katapultiert. Dort angekommen erwartete uns ebenfalls ein schreckliches Bild. Das Auto glich nur noch einem Haufen Blech, und der Mann, total eingeklemmt, schrie vor Schmerzen. Hier konnten wir zwei nichts mehr ausrichten. In einem Wahnsinnstempo rasten wir in den nächsten Ort, und baten den ersten Menschen, der uns über den Weg lief, sofort Polizei und Rettung zu verständigen. Dieses furchtbare Erlebnis hing mir noch viele Jahre nach, und den Anblick der beiden Frauen in dem brennenden Auto werde ich wohl nie vergessen. (Auch eine Narbe am rechten Daumen, die ich mir dabei zuzog, erinnert mich immer wieder daran.) Wir waren junge, starke Burschen und hatten sie nicht retten können.
Wenn man mein Leben von Kindesbeinen an verfolgt, könnte man zu dem Schluss kommen, ich zöge das Unglück an. Oder ich wäre vom Pech verfolgt. Oder forderte ich das Schicksal heraus? Das liegt im Auge des Betrachters, möglicherweise ist es von allem etwas. Auf jeden Fall flüchtete ich nie, wenn es brenzlig wurde. Trotzdem war ich auch immer wieder glücklich, wenn ich wieder in mein beschauliches Stuben zurückkehrte, wo schon schneehungrige Gäste (und vor allem Skihasen) auf mich warteten, mit denen ich die Pisten und Hütten wieder unsicher machen konnte.
Alles hört auf mein Kommando!
Ob ihr es glaubt oder nicht, so gingen nach meiner Skilehrerausbildung 20 Jahre ins Land. Aber in meinem Schatzkästchen befinden sich noch immer genug Geschichten, eine Runde geht noch … Zur Not trag ich euch ins Tal.
Nun beginnt nämlich ein neuer, wichtiger Abschnitt in meinem Leben.
Über die Jahre hatte ich mir zwar einen Ruf wie Donnerhall erarbeitet und jedes erdenkliche
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