Ab die Post
beiden Seiten. Sie liefen Gefahr, zerquetscht zu werden, wenn die große Frau zurücktrat.
»Ich bin gekommen, um Herrn Grütze zu besuchen«, sagte Feucht schwach, während Grütze sich wimmernd die Bettdecke über den Kopf zog.
»Völlig ausgeschlossen! Ich bin hier die Oberschwester, junger Mann, und ich muss darauf bestehen, dass du sofort gehst! Herr Grütze ist in einem sehr instabilen Zustand.«
»Mir scheint, dass es ihm recht gut geht«, erwiderte Feucht.
Er musste den Blick bewundern, mit dem die Oberschwester ihn bedachte. Er bedeutete, dass sie ihn an der Sohle ihres Schuhs klebend entdeckt hatte. Er erwiderte ihn mit einem eigenen eisigen Blick.
»Junger Mann, sein Zustand ist extrem kritisch!«, sagte sie scharf. »Ich lehne es ab, ihn gehen zu lassen.«
»Oh, ich bitte dich, Verehrteste«, entgegnete Feucht. »Er wird schon nicht krepieren.«
Die Matrone holte tief Luft, wodurch sie aussah wie ein sich aufblähender Eisberg, und lächelte triumphierend. »Da könntest du dich irren.«
Feucht glaubte, dass Ärzte deshalb Skelette hatten, weil sie ihre Patienten damit einschüchtern wollten. Haha, wir wissen, wie du drinnen aussiehst… Er wusste das durchaus zu schätzen und spürte ein gewisses Zusammengehörigkeitsgefühl. Orte wie das Lady-Sybil-Krankenhaus waren heutzutage recht selten, aber Feucht glaubte sich zu einer einträglichen Karriere fähig, wenn er einen weißen Kittel trug, lange Namen für Krankheiten wie eine laufende Nase erfand und voller Ernst Dinge in Flaschen betrachtete.
Auf der anderen Seite des Schreibtischs blickte ein Dr. Rasen – ein Namensschild stand auf dem Schreibtisch, denn Doktoren sind sehr beschäftigt und können sich nicht an alles erinnern – von Unterlagen auf, die Tolliver Grütze betrafen.
»Es war recht interessant, Herr Lipwig«, sagte er. »Ich musste zum ersten Mal operieren, um die Kleidung eines Patienten zu entfernen. Du weißt nicht zufälligerweise, woraus die Packung bestand? Er wollte es uns nicht sagen.«
»Ich glaube, ihre Schichten bestehen aus Baumwollflanell, Gänsefett und Brotpudding«, sagte Feucht und sah sich im Büro um.
»Brotpudding? Richtiger Brotpudding?«
»Ich denke schon«, bestätigte Feucht.
»Also nichts Lebendiges? Uns erschien es ledrig.« Der Doktor blätterte in den Unterlagen. »Ah, hier haben wir’s. Ja, die Hose wurde zum Gegenstand einer kontrollierten Detonation, nachdem eine seiner Socken explodiert war. Wir sind nicht ganz sicher, wie es dazu kommen konnte.«
»Er füllt sie mit Schwefel und Holzkohle, um seine Füße frisch zu halten, und die Hose tränkt er in Salpeter, um der Kribbelitis vorzubeugen«, erklärte Feucht. »Er glaubt fest an die Naturheilkunde. Ärzten vertraut er nicht.«
»Tatsächlich? Dann gibt es noch einen Rest von Vernunft in ihm. Übrigens sollte man den Schwestern besser nicht widersprechen. Ich habe festgestellt, dass es am besten ist, einige Pralinen in die eine Richtung zu werfen und in die andere zu laufen, während sie abgelenkt sind. Herr Grütze glaubt also, dass jeder sein eigener Arzt sein sollte?«
»Er macht sich seine eigene Medizin«, sagte Feucht. »Jeden Morgen trinkt er ein Glas Gin mit Salpeteröl, Schwefelpulver, Wacholder und dem Saft einer Zwiebel. Das hält die Atemwege frei, meint er.«
»Lieber Himmel, das glaube ich gern. Raucht er überhaupt nicht?«
Feucht dachte darüber nach. »Nein«, antwortete er. »Es sieht eher nach Dampf aus.«
»Und sein Hintergrundwissen in elementarer Alchimie ist…?«
»Nicht existent, soweit ich weiß«, sagte Feucht. »Die Hustenbonbons aus seiner Produktion sind recht interessant. Wenn man sie zwei Minuten lang lutscht, fühlt man, wie einem das Schmalz aus den Ohren rinnt. Auf seine Knie streicht er eine Mischung aus Jod und…«
»Das reicht!«, sagte der Doktor. »Manchmal müssen wir bescheidenen praktischen Ärzte voller Staunen beiseite treten, Herr Lipwig. Ziemlich weit beiseite, im Fall von Herrn Grütze, und vorzugsweise hinter einen Baum. Bitte bring ihn fort. Ich muss sagen, dass er entgegen allen Erwartungen überraschend gesund ist. Ich wundere mich nicht darüber, dass er den Angriff eines Banshees überstanden hat. Ich vermute, dass Herr Grütze mit normalen Mitteln nicht umzubringen ist, rate dir aber, ihn am Stepptanz zu hindern. Und nimm seine Perücke mit. Wir haben versucht, sie in einem Schrank unterzubringen, aber sie kriecht immer wieder heraus. Die Rechnung schicken wir dem
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