Ab die Post
von Pferden gezogen, und seine Höchstgeschwindigkeit auf einer guten Straße beträgt etwa vierzehn Meilen pro Stunde, und diese Kutsche soll gegen den Großen Strang antreten – womit ich all die Semaphortürme meine, die Nachrichten mit einer Geschwindigkeit von hunderten von Meilen pro Stunde übermitteln können – und eine Nachricht schneller als die Klacker nach Gennua bringen, und damit meine ich eine zweitausend Meilen entfernte Stadt?«
»Ja.«
»Und du hast keinen wundervollen Plan?«
»Nein.«
»Und warum sagst du mir das?«
»Weil du in dieser Stadt derzeit die einzige Person bist, die mir vielleicht glaubt, dass ich keinen Plan habe!«, sagte Feucht. »Ich habe Herrn Grütze darauf hingewiesen, und er hat sich an die Nasenflügel geklopft, was übrigens etwas ist, das man nicht sehen möchte, und meinte: ›Natürlich hast du keinen, Herr. Du nicht! Hohoho! ‹«
»Und du hast einfach gehofft, dass sich etwas ergibt? Wie kannst du nur so etwas annehmen?«
»Weil sich bisher immer etwas ergeben hat. Es ergibt sich nur dann etwas, wenn man etwas braucht, wenn es nötig ist, dass sich etwas ergibt.«
»Und ich soll dir wie helfen?«
»Dein Vater hat den Strang gebaut!«
»Ja, aber ich nicht«, sagte die junge Frau. »Ich bin nie in den Türmen gewesen. Ich kenne keine großen Geheimnisse des Strangs und weiß nur, dass er immer kurz vor dem Zusammenbruch steht. Und das wissen alle.«
»Menschen, die es sich nicht leisten können, Geld zu verlieren, setzen es bei Wetten auf meinen Sieg! Und je mehr ich ihnen davon abrate, umso mehr setzen sie!«
»Meinst du nicht auch, dass es ein bisschen dumm von ihnen ist?«, fragte Fräulein Liebherz zuckersüß.
Feucht trommelte mit den Fingern auf die Tischkante. »Na schön«, sagte er. »Ich kenne einen anderen guten Grund dafür, warum du mir helfen solltest. Es ist ein bisschen kompliziert, und ich erkläre es dir nur, wenn du mir versprichst, still zu sitzen und keine plötzlichen Bewegungen zu machen.«
»Rechnest du damit, dass ich mich plötzlich bewegen könnte?«
»Ja. Ich glaube, in einigen Sekunden könntest du versuchen, mich zu töten. Versprich mir, dass du es nicht versuchst.«
Fräulein Liebherz zuckte mit den Schultern. »Dies könnte interessant werden.«
»Versprochen?«, fragte Feucht.
»Na schön. Ich hoffe, mich erwartet etwas Aufregendes.« Fräulein Liebherz schnippte Asche von ihrer Zigarette. »Ich bin ganz Ohr.«
Feucht atmete tief durch und versuchte, ruhig zu bleiben. Dies war es. Das Ende. Wenn man dauernd dafür sorgte, dass die Leute die Welt anders sahen, endete man schließlich damit, dass man sich selbst anders sah.
»Ich bin der Mann, dem du es verdankst, dass du deinen Job in der Bank verloren hast. Ich habe die Schecks gefälscht.«
Fräulein Liebherz’ Gesichtsausdruck blieb unverändert; sie kniff nur ein wenig die Augen zusammen. Und dann blies sie Rauch aus.
»Ich habe es versprochen, nicht wahr?«, fragte sie.
»Ja. Tut mir Leid.«
»Habe ich dabei die Finger gekreuzt?«
»Nein. Ich hab genau aufgepasst.«
»Hmm.« Sie betrachtete nachdenklich das glühende Ende ihrer Zigarette. »Na schön. Erzähl mir besser auch den Rest.«
Und er erzählte ihr den Rest. Den ganzen Rest. Sie mochte die Stelle, an der man ihn hängte, und bat ihn, es noch einmal zu schildern. Um sie herum pulsierte die Stadt. Zwischen ihnen füllte sich der Aschenbecher mit Asche.
Als Feucht schließlich schwieg, musterte ihn Fräulein Liebherz eine Zeit lang durch den Rauch.
»Ich verstehe den Teil nicht, wo du all das gestohlene Geld dem Postamt gibst. Warum hast du das getan?«
»Das ist mir selbst nicht ganz klar.«
»Ich meine, du bist ganz klar ein egoistischer Schuft mit der Moral einer, einer…«
»… Ratte«, half Feucht.
»… einer Ratte, danke, aber plötzlich wirst du zum Liebling der großen Religionen und zum Retter des Postamts, machst den Reichen und Mächtigen eine lange Nase, präsentierst dich als heldenhafter Reiter und ganz und gar wundervoller Mensch und rettest natürlich eine Katze aus einem brennenden Gebäude. Außerdem hast du noch zwei Menschen gerettet, aber alle wissen, dass das mit der Katze wichtiger war. Wem willst du etwas vormachen, Herr Lipwig?«
»Mir selbst, glaube ich. Ich bin ein guter Mensch geworden. Ich sage mir immer wieder, dass ich jederzeit damit aufhören kann, aber ich höre nicht damit auf. Und ich weiß: Wenn ich nicht jederzeit damit aufhören könnte, würde ich
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