Ab heute alles anders
doch hätten diese Erreger tatsächlich eine Chance gehabt, wenn unser Immunsystem zu 100 Prozent funktionsfähig gewesen wäre? Hätte unser Körper sie dann vielleicht erfolgreich abwehren können?
Schon im 19. Jahrhundert beschäftigten sich der französische Physiologe Claude Bernard und der Chemiker Louis Pasteur mit diesem grundlegenden Thema. Bernard war der Überzeugung, es sei der Körper selbst, der die Krankheit erzeuge, während Pasteur |61| dem Erreger oder Keim die Verantwortung zuschrieb. Pasteurs Theorie war es letztlich, die die schulmedizinische Denkweise prägte: Krankheit entsteht durch äußere Erreger, Bakterien oder Viren.
Der chiropraktische Ansatz ist an Bernards Denkweise angelehnt: Die Basis für unsere Gesundheit liegt in uns, nicht in unserer Umgebung. In den Worten von Claude Bernard: »Krankheit schwebt ständig über uns, ihr Samen wird vom Wind getragen, aber sie pflanzt sich nicht in die Umgebung, es sei denn, die Umgebung ist geeignet sie anzunehmen.«
Gesundheitsmedizin
Von Geburt an verfügt jeder Mensch über ein inneres Potenzial, das ihn dazu befähigt, das größtmögliche Maß an körperlichem, geistigem und sozialem Wohlbefinden zu erreichen. Der Schlüssel zur Gesundheit ist somit die Erhaltung unserer körperlichen Funktionsfähigkeit. Durch mangelhafte Bewegung, schlechte Ernährung, Stress oder Störungen des Nervensystems kann es zu erheblicher Beeinträchtigung kommen, sodass das individuelle Potenzial nicht vollständig in Anspruch genommen werden kann. Die Frage nach dem, was als krank oder als gesund anzusehen ist, verschiebt sich daher zu der Frage, ob es dieses »oder« überhaupt geben kann. Aus Gewohnheit bezeichnen sich die meisten von uns entweder als gesund oder als krank. Daher müssen zuerst Symptome oder eine ernsthafte Krankheit vorliegen, um überhaupt einen Arzt aufzusuchen. Für den Arzt wiederum sind die Symptome ausschlaggebend, um eine bestimmte Krankheit diagnostizieren und eine entsprechende Medikation verschreiben zu können.
Diese Denkweise einer »Krankheitsmedizin«, die sich darauf spezialisiert, Krankheiten zu kurieren und Symptome zu beseitigen, |62| weicht immer mehr einer »Gesundheitsmedizin«, die es sich zur Aufgabe macht, Gesundheit und Lebensqualität zu erhalten und zu fördern. Thomas Edison hat es bereits vor hundert Jahren so formuliert: »Der Doktor der Zukunft wird keine Medikamente mehr geben, sondern er wird das Interesse seines Patienten auf die Pflege der menschlichen Struktur, die Ernährung und die Ursachen sowie Prävention von Krankheiten lenken.«
Anstelle des Konzepts von Entweder-Oder, krank oder gesund, würden wohl die meisten Chiropraktoren philosophisch eine ganzheitliche Denkweise stellen. Dr. Virgil V. Strang, D. C., beschreibt ein biologisches Spektrum, in dem sich das Wohlbefinden eines Menschen in einem ständigen Wechsel zwischen zwei Polen befindet. Vereinfacht dargestellt: Gesundheit auf der einen und pathologische Krankheit auf der anderen Seite. In der Regel bewegen sie die meisten Menschen zwischen den zwei Polen.
Auf einer Achse lässt sich das biologische Spektrum folgendermaßen darstellen:
1. Optimales oder hohes Maß an Wohlbefinden
2. Wohlbefinden/Wellness
3. Stadium des Übergangs (sich entfernen von Wohlbefinden)
4. Erkrankung (subjektives Empfinden des Einzelnen)
5. Pathologie/Krankheit (objektive Symptome)
Diese Art der Denkweise ähnelt dem Konzept der Salutogenese (lat. salus , = Unverletztheit, Heil, Glück; griech. Genese = Entstehung) nach Antonovsky. Hier liegt die Fragestellung auf dem Aspekt »Warum bleiben Menschen gesund? Wie erholen sie sich von Erkrankungen, und was sind die Besonderheiten an Menschen, die trotz extremster Belastungen nicht krank werden?«
|63| Mehr oder weniger gesund?
Wir müssen uns also dafür interessieren, an welchem Punkt der Skala sich ein Mensch zu einem bestimmten Zeitpunkt befindet und in welche Richtung er sich innerhalb dieses Spektrums bewegt. Die Frage nach krank oder gesund lautet dann: Wie entfernt oder wie nah ist eine Person von oder an den jeweiligen Endpunkten Krankheit und Gesundheit? Der individuelle Zustand eines Menschen hängt von einem Zusammenspiel sowohl äußerer als auch innerer Faktoren ab. Der Körper hat das Bestreben, seine verschiedenen physiologischen Funktionen trotz immer wechselnder Umwelteinflüsse konstant zu halten und sich seiner Umwelt optimal anzupassen (Homöostase). Dies kann mehr oder weniger
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