Ab ins Bett!
macht. Ein blauer Vauxhall Astra kommt mit »Um diese Zeit gehört die Straße mir«-Tempo um die Ecke geschossen. Der Fahrer sieht mich, schenkt aber dem Anblick eines halbnackten Manns, der scheint’s zu seinem Haus betet, weiter keine Beachtung. Ich lege meine Hände auf die Erde und öffne sie. Die Maus stellt sich auf die Hinterbeine und wackelt mit der Nase, was so grotesk typisch Maus ist, daß ich mir Sorgen mache, ob auch in der Tierwelt schon die Selbstbeobachtungsseuche ausgebrochen ist. Dann ist die Maus verschwunden, wahrscheinlich, um etwas Käse aufzutreiben und mit zwei Kumpeln einen draufzumachen.
Als ich ins Schlafzimmer zurückkomme, schnüffelt Jezebel wie besessen um die Stelle herum, wo die Maus zuletzt saß.
»Ich hab sie rausgebracht. Du hast es doch gesehen.«
Jezebel schnüffelt weiter. Ich drehe mich um, will das Licht ausknipsen und wieder ins Bett gehen. Vielleicht, sage ich mir, ist Jezebel ja so fertig von ihren sadistischen Spielchen, daß sie sich ausnahmsweise dazu herabläßt, zu mir zu kriechen, und, in genau dem Moment, beißt sie mir in die Ferse. Aua! Scheiße! Das Schnüffeln war bloß eine List. Ich wirbele herum und will ihr eine runterhauen, aber sie ist weg: Schon kann ich das Scharren der Katzenklappe hören und sich entfernendes Pfotengetrappel.
Was meine Laken noch an Schlafwärme haben, entweicht, als ich die Decke hebe und wieder darunterkrieche. Ich verbringe gut drei Minuten damit, nach meiner Schlafbrille zu suchen, ehe ich merke, daß sie mir oben auf dem Kopf sitzt (und wohl auch da saß, als ich draußen war). Was soll’s? Ich ziehe mir die Verdunklung über die Augen und kuschele mich ins Bett, was etwas völlig anderes ist als schlafloses Herumwälzen und Drehen. Über die Fötallage hinaus rolle ich mich zu einem Ball zusammen und ziehe mir die Decke übern Kopf. Auf einen zufälligen Beobachter könnte es wirken, als würde sich jemand schrecklich verrenken, um es sich bequem zu machen. Dann höre ich einen Plumps. Dann wieder. Plumps.
Was ist das jetzt schon wieder? Ich entrolle meinen Körper und taste nach der Nachttischlampe. »Jezebel?« Nichts. Sie ist noch draußen. In der Ecke raschelt mein schwarzer, mit Plastiktüte ausgelegter Papierkorb, und, plop!, heraus springt ein verdammter Frosch, seine Halsader schwillt rhythmisch an und wieder ab. Unsere Blicke begegnen sich, und er erstarrt.
Zwei Minuten später bin ich wieder im Bett, nachdem ich den Frosch weit genug von der Maus entfernt abgesetzt habe, damit er das Gefühl haben kann, er hat sein eigenes Revier. Als er weghüpfte, dachte ich eine Sekunde, ich hätte ein paar rote Flecke auf seinem warzigen Rücken bemerkt, aber das waren wahrscheinlich bloß Pünktchen auf meiner übermüdeten Netzhaut. Als ich wieder ins Haus wollte, fiel mein Blick auf Schizo-Barry, der reglos an der Straßenecke stand und zu mir hinstarrte, als hätte er mich schon eine Weile beobachet. Ich weiß es nicht, vielleicht weil diese Tageszeit die einzige ist, zu der er nüchtern ist, jedenfalls redete sein Blick ausnahmsweise keinen Kauderwelsch, sondern Klartext: Und wo soll ich mit dem ganzen Viehzeug hin? Ich sollte mich bei ihm entschuldigen, dachte ich, denn schließlich hab ich es ihm ja sozusagen vor die Haustür gelegt.
Erstaunlich, aber ich habe das Gefühl, ich könnte noch mal einnicken, in meinen Knochen steckt immer noch Bantamgewichtschwere, und wenn ich mich ganz fest darauf konzentriere... da fängt Jezebel plötzlich wieder mit ihrem Gefiepse an und kratzt an der Schlafzimmertür, die ich vorsichtshalber geschlossen habe. Als ich hingucke — jetzt brauche ich das Licht nicht mehr anknipsen, so hell ist es schon —, sehe ich, daß ihre gespreizte Vorderpfote wie ein überdrehter Metronom unter dem Türschlitz hin- und herfährt. Ich stehe auf, um Jezebel reinzulassen, obwohl ich sehr wohl weiß, daß all das Fiepsen und Kratzen nicht bedeutet »Bitte, ich möchte zu dir kommen, mich auf deine Decke kuscheln und dich sanft in den Schlaf schnurren«. Aus dem Stand macht sie einen Satz wie ein Akrobat, schießt an mir vorbei, und eine Sekunde glaube ich schon, aufs Bett zu, aber nein, sie verschwindet darunter, und ein Scharren oder zwei später taucht sie wieder auf, mit einer riesigen toten Ratte im Maul. Sie legt sie mir vor die Füße und guckt mich an wie: Da hast du’s — das ganze Spektrum.
Was ist bloß mit meiner Katze los? Drei Viecher hat sie allein heute nacht angeschleppt,
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