Ab ins Bett!
der Tonspur meines Traums über die Zähmung eines Unterwasserpferds ein leises Trippeln beigemischt. Mein Unterbewußtes hatte sich, so gut es konnte, taub gestellt, bis irgendwann klar wurde, daß das Getrappel nicht auf das durch einen Pferch gehetzte Seepferd zurückging, sondern auf etwas in meinem Schlafzimmer. Als ich dann hellwach hochschoß, war nichts mehr zu hören, aber das ist bei Geräuschen, von denen man wach wird, immer so: Plötzlich verstummen sie, so als hätte der Schwarze Mann/Axtmörder/ die Monsterkakerlake gesehen, daß man aufrecht im Bett sitzt, und wartet bloß ab, bis man wieder in die Kissen sinkt. Ich starrte volle vier Minuten in die Dunkelheit, wobei mein Herz schneller hämmerte als irgend ’ne schreckliche Jungle-Musik, aber nichts rührte sich. Ich legte mich wieder aufs Ohr, und sofort ging’s wieder los: Fffffscccrrrr dddrrrttt!
Ich stand auf und knipste das Licht an, aber genau das wollen solche Geräusche ja: Sie geben sich nicht zufrieden, bis man völlig entnervt ist. Wieder war zuerst nichts zu sehen. Doch dann, Sekunden später, schoß Jezebel unterm Bett hervor und jagte einer Maus hinterher.
Ich sollte wirklich nicht bei offener Schlafzimmertür schlafen. Und ich tue es auch nur in der weiß Gott vergeblichen Hoffnung, daß Jezebel eines Tages reinkommt und auf meinem Bett schläft. Denn das hatte ich immer gewollt, eine Katze die nachts zu mir ins Zimmer kommt und sich oben auf mein Federbett kuschelt, warm, tröstlich, sanft schnurrend, ein Seil, um damit den Abhang leichten Schlafs hinabzugleiten. Aber das hat nie geklappt. Ich habe probiert, sie aufs Bett zu drücken, sie unter die Decke zu schieben, Kitbits aufs Kissen zu legen, aber nichts kann sie bewegen, bei mir zu schlafen. Normalerweise bleibt mir nichts anders übrig, als hinterherzugucken, wie ihr Arsch zur Tür rausprescht, und zu überlegen, wo wir unser Hansaplast haben.
Jetzt taucht Jezebel hinterm Schrank auf. Die Maus hängt ihr aus dem Maul. Ich packe meine Katze am Genick, was Erinnerungen in mir wachruft, wie sie als Junges von ihrer Mutter getragen wurde, und das greift mir schrecklich ans Herz. So ähnlich geht’s mir, wenn ich eine Stadtstreicherin sehe und mich frage, was sie als Kind werden wollte. Ich rüttele Jezebel den Kopf hin und her, aber das bringt sie nicht dazu, die Maus loszulassen; statt dessen fiepst sie, stößt einen so langgezogenen, von schrill bis baß schwankenden Laut aus, als würde jemand an ihrem Tonhöhenregler drehen. Ich sehe, daß die Maus noch lebt, aber diese einzig nette Geste Jezebels ist zweischneidig: Meine Katze kann etwas mit so genau dosierter Behutsamkeit im Maul halten, daß es dort bleibt, aber nicht beschädigt wird. Denn wenn sie es ablegt, will sie es quälen, und Quälen macht keinen Spaß, wenn das Opfer schon tot ist. Ich versuche ihr die Maus zwischen den Zähnen wegzuziehen, aber Jezebel beißt fester zu, und mir wird klar, daß sie sie eher töten als loslassen wird.
»Gib sie her!« schreie ich. »Laß sie los!«
Woorrrrhhhhhhgghhhhhhhaaaa, macht Jezebel mißtrauisch.
Mit ihren schwarzen Stecknadelaugen guckt mich die Maus seltsam gelassen an. Was regest du dich auf scheint sie zu sagen. Das ist der Lauf der Natur. Plötzlich läßt Jezebel sie fallen, und die Maus sitzt einfach da, wartet geduldig auf das Zuschlägen von Tatze oder Kralle. In ihrer Mordlust hat Jezebel vergessen, daß ich da bin; schnell schnappe ich mir die winzige braune Kreatur, und Jezebel guckt entgeistert zu mir hoch. Mit meiner freien Hand nehme ich meinen Morgenmantel vom Haken an der Tür und werfe ihn mir über die Schultern. Als ich die Flurtreppe runtergehe, stößt Jezebel ein so jämmerliches, verzweifeltes Wimmern aus, wie ich es bisher nur einmal von ihr gehört habe, als sie nach der Sterilisation aus der Narkose aufwachte. Aber mein Gott, da weinte sie um ihre verlorenen Kinder; dies hier ist eine verdammte Maus. Hat sie denn keinen Sinn für das richtige Maß?
Draußen regnet es, einen nebeligen Morgenniesel. Als mich an Körperteilen friert, von denen ich geglaubt hatte, sie seien bedeckt, sehe ich an mir hinab und merke, was alles dem Blick von Milchmännern und Zeitungsjungen preisgegeben ist, gäbe es dergleichen in Kilburn. Ich kann den Morgenmantel nicht wieder zubinden, denn wegen der Maus muß ich ein Spitzdach mit den Händen machen, also krieche ich schnell in unser Gerümpel aus Unkraut und Ziegelstein, das dem Namen Vorgarten Schande
Weitere Kostenlose Bücher