Ab ins Bett!
ist hörbar.
»Ach natürlich«, sage ich grimmig. »Einen Augenblick dachte ich, Sie meinten vielleicht den großen Tag, wenn der Wagen repariert ist.«
Dina stiert in ihr Aqua Libra. Natürlich bin ich noch nicht mit ihren sexuellen Vorlieben vertraut, aber sie macht mir den Eindruck, als würde sie nicht mal den Blick heben, käme Johnny Depp mit runtergelassenen Hosen ins Zimmer. Ben und Alice starren mich mit offenem Mund an. Ich faxe ihnen telepathisch zu: An: Ben und Alice. Von: Gabriel. Seite 1 inklusive Deckblatt. Offenkundig habe ich dem Grünen Flagger erzählt, wir würden heiraten, weil wir in meinem Auto waren, aber die Karte auf den Namen Friedricks läuft. Offenkundig. Mein Gott, guckt mich nicht so verdammt fassungslos an. Könnt ihr euch nicht denken... — Nein, sie können es nicht. Ihre Gedanken haben sich offenkundig in die Vorstellung verhakt, daß Dina und ich es ineinander sind. Mir kommt in den Sinn, daß ich die ganze Sache einfach auffliegen lassen könnte -schließlich hat der Flagger uns hergebracht; was kann er jetzt schon machen, wenn ich ihm sage, daß wir gar nicht verlobt sind, außer vielleicht jeden mit dem Namen Friedricks von der Pannenhilfe-Liste streichen. Aber irgend etwas hält mich zurück, und egal welches andere rassische Gen sie für dominant in meinem ethnischen Sumpf halten, ich würde es mein Englischsein nennen.
»Das ging aber schnell«, sagt Ben zu mir. »Dann muß das Spiel ja wirklich langweilig gewesen sein.
9
Für den Heimweg nehme ich den Bus, nicht, weil ich nicht weiß, wie ich sonst zurückkommen soll, sondern weil das Oberdeck des 31B im Augenblick genau der richtige Ort für mich ist. Der kratzige graukarierte Stoff der Sitze, der Geruch nach 1973 gerauchten Zigaretten, die mit Stiefelabdrücken gestempelten Fahrkarten auf dem Boden: das genaue Abbild meines Innern. Es tut immer gut, an einem Ort zu sein, der zur eigenen Stimmung paßt. Welchen Abgang ich hatte? Einen schlechten. Ich murmelte dem Grüne Flagge-Mann etwas in der Richtung zu, wir hätten die Sache nicht an die große Glocke hängen wollen, bis mir in der nächsten Sekunde klar wurde, daß keine Glocke so leise ist, daß nicht der Bruder des Bräutigams oder die Schwester der Braut etwas läuten hören. Mehrere lange Sekunden saßen alle schweigend da, bis plötzlich deutlich wurde, daß die Raum- und Zeitkoordinaten des Grünen Flaggers ins Schlittern kamen und drauf und dran waren, in folgende neue Konstellation zu rutschen: »Moment mal... der Kerl hat mich übern Tisch gezogen!« Zum Glück beschloß Gott genau in dem Moment, dem ganzen Schlamassel ein Ende zu setzen, und ließ das Mobiltelefon des Flaggers klingeln. Der Gedanke an ein anderes Grüne Flagge-Mitglied in Schwierigkeiten auf der Autobahn besiegte alle anderen Impulse in dem Mann. Er nahm sich gerade noch Zeit, Alice zu sagen, wenn ihr Tee immer so gut wäre, würde er morgen wiederkommen, und vierzig Sekunden später war er fort. Stoßseufzer der Erleichterung verdrängten Bens und Alices Verstörtheit, als ich ihnen alles erklärte.
Ich hätte glücklich und zufrieden Weggehen können, wäre auch nur das leiseste Lächeln über Dinas Gesicht gehuscht. Es gab durchaus die Möglichkeit, fand ich, das Rohmetall unserer ersten Verabredung durch die Alchimie des Lachens in das Gold eines Riesenspaßes zu verwandeln, was wiederum zu der romantischen Vorstellung hätte führen können, wie wir beide in ferner Zukunft zärtlich auf unsere mißglückte erste Verabredung zurückblicken. Aber während Ben und Alice giggelten, stierte Dina die ganze Zeit finster vor sich hin - als würde sie in diesem noch nicht angelaufenen Komödienklassiker Wer am längsten stiert auftreten. Und nicht mal von einer Andeutung von Abschiedskuß konnte die Rede sein. Vielleicht ist sie ja eine entfernte Verwandte von Jezebel.
Vor dem großen Tiefkühlkostladen in der Kilburn High Road steige ich aus und gehe die Streatley Road hoch zu unsrer Wohnung. 17.22 Uhr. Ich bin müde. Um diese Zeit bin ich oft am müdesten, selbst wenn ich emotional nicht Kopf und Kragen riskiert habe und mir das Wasser bis zum Halse steht. Das kommt von meiner verkehrt gehenden Körperuhr, die die Einschlafhormone absichtlich früh ausstößt, so daß sie schon alle verbraucht sind, wenn ich dann wirklich einschlafen will. In der Wohnung schleudere ich mein unbenutztes Halstuch auf den Korridorboden und gehe schnurstracks in mein Schlafzimmer. Ich will sehen, ob ich
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