Ab ins Bett!
ganz der Zeitpunkt, um Bäume auszureißen, aber eindeutig positiv. Ich versuche sogar eine kleine fröhliche Melodie zu pfeifen, fange aber dummerweise an, ehe ich mich für eine passende entschieden habe, und so kommt bloß ein undefinierbares Panflötenstück heraus.
Der Brief von meiner Großmutter ist weniger aufmunternd.
Mein lieber Gabby,
Hallo, mein Schatz. Wie geht es dir? Mir geht es nicht besonders. Meine Leber macht Arger, und meine Arthritis wird immer schlimmer. Außerdem habe ich jetzt grauen Star, was heißt, daß ich bald nicht mehr viel sehen werde, aber pah!, wer braucht hier schon sein Augenlicht? Ich muß mir nicht unbedingt angucken, wie sich ein Haufen alter Trottel mit Tee bekleckert. Mrs. Hindlebaum läßt dich grüßen. Deine Mum erzählt mir, daß du dich neuerdings mit einer jungen Dame triffst. Mazeltov! Was lange währt...! Jüdisch? Jedenfalls mußt du sie mitbringen, falls du mich je wieder besuchst. Komm doch mal vorbei, Gabby. Manchmal werden mir die Tage so lang.
Alles Liebe Mutti XXXX.
Die Schrift ist so altmodisch und krakelig, daß der Brief bereits wie eine Antiquität wirkt; nur das unvergilbte Blau des Edelbriefpapiers erinnert mich daran, daß ich ihn nicht durch das Glas einer Vitrine lese. Wie immer schreibt meine Großmutter genauso wie sie spricht, für sie gibt es da keinen Unterschied, und ich höre förmlich ihren polnisch-deutschen Akzent, während sie beim Schreiben die Worte laut vor sich hinsagt. Sie klingt natürlich wie eine schreckliche Hypochonderin, aber wundert Sie das - wenn eine dreiundachtzig ist und der eigene Körper seine Einzelteile einen nach dem andern in Pension schickt? Wer Leute diesen Alters als Hypochonder bezeichnet, will bloß nicht wahrhaben, daß sie sterblich sind.
Ich lege den Brief neben die Mikrowelle und gehe zu meinem Filter-Kaffeekocher hin (gestern habe ich ins Innere der Espressomaschine geguckt und eine potentiell abbaufähige Halde von Kalkgestein entdeckt). Als ich durch die Küche laufe, gleitet mein nackter rechter Fuß in etwas Weiches, Nasses und Glitschiges, anders als Flipper/Basho, der, vor vielen Jahren, wahrscheinlich in etwas Weiches, Feuchtes und Smidgyges glitt. Ich gucke runter. Es ist ein wassertriefendes Stück dunkelgrünen Laichkrauts. Seit kurzem schleppt Jezebel dieses Zeug an und lagert es auf dem Boden ab. Katzen bringen ihren Besitzern alles mögliche ins Haus — Mäuse, Vögel, sonst was — sie verstehen es als Geschenk, habe ich einmal gelesen, als Dankeschön dafür, daß man sie füttert und streichelt. Aber Geschenk hin, Geschenk her — was soll ich mit Laichkraut? »Oh, danke, Jezebel, genau das, was ich mir immer gewünscht habe.« Und wo verdammtnochmal kriegt sie in Kilburn überhaupt Laichkraut her? Oh, Moment mal. Genau! In der Nähe ist der »Hain«, ein winziges Stückchen Grün, das der Magistrat lächerlicherweise als Park bezeichnet, da, wo Nick und ich neulich abends den tief schlafenden Schizo-Barry wieder auf seiner Lieblingsbank abgelegt haben, trotz der Proteste der anderen Penner, die eindeutig gehofft hatten, sie wären ihn für immer los. Wenn ich mich recht erinnere, gibt es da einen von bröckligen Backsteinen eingefaßten Tümpel, den man, falls man einmal den Auftrag bekommt, die Hölle gartenarchitektonisch zu gestalten, als Anhaltspunkt für einen Teich benutzen könnte. Ich persönlich halte es für ziemlich gefährlich, daß Jezebel ganz allein zu jeder Tagesund Nachtzeit dorthin geht; sich bloß vorzustellen, was all den Pennern dort passieren könnte.
Ich drapiere das Laichkraut auf die zwei Schichten von Essen und Dosen, die aus der Mülltonne mit dem Schwingaufsatz herausgucken. Wie es scheint, fühlt es sich gleich heimisch dort. Dann schwinge ich mein Bein wie ein spastischer Kung-Fu-Kämpfer herum, stecke meinen Fuß in den Küchenabguß und drehe den Kaltwasserhahn auf. Das Rohrsystem überlegt es sich ein Weilchen und stößt dann einen eiskalten Strahl aus, der den grünen Schleim abspült. Den Fuß immer noch in der Spüle, beuge ich mich nach hinten, um die Kühlschranktür aufzumachen und die Milchtüte herauszuholen. Was ist das? Ein neuer Kühlschrank-Magnet?
Ach. Bloß Kermit der Frosch. Von der Muppet Show. Er ist an eine kleine Buntstiftzeichnung gekreuzigt, wo eine schiefe Sonne auf ein paar auf dem Kopf stehende Häuser scheint, aus denen Strichmännchen herauspurzeln und lächeln. Kermits Arme als Knauf benutzend, drehe ich die Zeichnung um. Die
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