Ab ins Bett!
Strichmännchen hüpfen in ihre Häuser und machen ein grimmiges Gesicht. Am oberen Rand - jetzt dem unteren - steht Ein Souvenir von Nick. Dann klingelt das Telefon: Mein Fuß schnellt instinktiv nach oben und knallt gegen den Hahn. Ein neuer Wasserguß ergießt sich über meinem Spann. Als ich den Fuß wegziehe, sticht mir die aufrecht in einer schmutzigen Tasse stehende Gabel in die Ferse. Himmelarsch. Ich verliere die Balance und beliebe — wohlgemerkt, beliebe - der Länge nach hinzuknallen.
Als ich mit dem Kopf gegen die Kühlschranktür schlage, läutet das Telefon zum dritten Mal.
Genau in dem Moment springt mir Kermit ins linke Auge. Ich war schon immer der Meinung, wenn man schon mal, im wirklichen Leben, in einem Slapstick mitspielt, dann sollte man sich auch bis zum Schluß an die Regeln halten. Während ich einen Moment daliege und verdutzt um mich gucke, schaltet sich der Anrufbeantworter ein.
»Hallo, Gabriel, hier ist Dina. Übrigens, hast ja einen wirklich originellen Spruch auf deinem Beantworter. Richtig gruselig. Jedenfalls hoffe ich, du hast meine Karte gekriegt und...«
Gerade noch rechtzeitig nehme ich ab. »Hallo!«
»Hallo! Du hockst also neben dem Apparat und hörst mit!«
»Nein, ich war gerade... im Bett.« Immer glaubwürdig.
»Oh, tut mir leid.«
»Macht gar nichts. Danke für die Karte. Wo hast du die denn gefunden?«
»In Camden.«
»Fantastisch«, sage ich und merke sofort, daß eigentlich nichts besonders Fantastisches dabei ist. Ein Moment peinlicher Stille. Nun, Stille nicht unbedingt.
»Gabriel? Brummst du?«
»Das ist bloß das Telefon. Sag mal, hättest du vielleicht Lust, heute abend herzukommen? Ich koche was für dich.«
»Oh... klar. Warum nicht? Aber da ist eine Sache, die du besser wissen solltest.«
»AIDS?«
»Wie bitte?«
»Ach, war bloß das Telefon.«
»Ich bin Vegetarierin.«
»Macht nichts. Ich war selbst eine Weile Vegetarier.«
»Wirklich? Wie lange?«
»Vier Stunden. Der Gedanke, daß ich nie wieder Würstchen essen würde, deprimierte mich dann dermaßen, daß ich gleich ein paar gegessen habe.«
»Wie viele?«
»Sieben.«
Sie lacht. Zum ersten Mal höre ich sie lachen. Ein bebendes, hauchiges Lachen. Es erinnert mich an jemanden. Ja, klar, sie.
»Tut mir leid, daß ich den Grüne Flagge-Mann so angelogen habe. Es war halt das erste, was mir in den Kopf kam.«
»Schon gut. Ich hab ein bißchen übertrieben reagiert. Wir werden darüber lachen, wenn wir verheiratet sind. «
»Wie... was?«
»Das war ein Witz, Gabriel.«
Erst lacht sie, und jetzt macht sie schon Witze. Ein solches Erfolgserlebnis würde ich meinen Hormonen wünschen! (Verzeihung, manchmal denke ich eben sehr jüdisch.)
»Na fantastisch«, sage ich wieder, habe nichts dazu gelernt.
»Also gut, dann komme ich so um acht herum.«
»Um acht herum?«
»...ja?«
»Heißt das eher... vor acht? Oder um acht? Oder so was wie fünf oder sechs Minuten nach?«
»Wenn du ein Psycho bist, komme ich nicht.«
»Fantastisch. Also um acht herum.«
»Bis dann.«
»Bis dann.«
Ich lege auf und fühle mich, nun, ich glaube, fantastisch ist das richtige Wort. Kurz darauf fühle ich mich nicht mehr so. Der Spruch auf unserem Anrufbeantworter lautet schlicht: Sie haben die Nummer von Gabriel Jacoby und Nick Munford gewählt. Im Moment sind wir leider nicht erreichbar, aber hinterlassen Sie eine Nachricht, wir rufen Sie zurück.« Was ist daran so gruselig? Zugegeben, die Ansage ist auf What An Atmosphere von Russ Abbott gesprochen, aber... ich drücke auf die Abhörtaste. Das Band schnurrt zurück, klickt, und läuft dann langsam nach vorn.
»Sagen Sie die Wahrheit«, höre ich Nicks Stimme, wie er mit seinem flachen Bradford-Akzent jede Silbe einzeln abhackt. »Sagen Sie die volle Wahrheit. Blicken Sie in Ihre Seele — und von dort aus hinterlassen Sie Ihre Botschaft.«
Beeeeeep. Doch, das ist gruselig. Besonders, weil Nick für seinen Spruch immer noch What An Atmosphere für die richtige Hintergrundmusik hielt.
Das Liv Dashem-Seniorenheim ist ein großes, halb freistehendes Gebäude in der Edgwarebury Lane. Der mit wackeligen Steinen gepflasterte Fußweg zum Hauptportal ist von einer Reihe paarweiser Riesen-Chrysanthemenbüsche gesäumt, was eine Art biblischen Effekt ergibt. Parallel zum Fußpfad verläuft die Auffahrt mit der vorgeschriebenen Breite für zwei Wagen, und am hinteren Ende des Geländes, unter dem handgeschriebenen Parkplatz-Schild, steht unweigerlich
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