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Ab ins Bett!

Ab ins Bett!

Titel: Ab ins Bett! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baddiel
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und sie setzt sich an den Küchentisch. Nick läuft zweimal im Kreis um sie herum.
    »Denk an einen Gegenstand«, sagt er. »Irgendeinen.«
    »Hör mal, Nick«, sagt sie sanft, »machen wir das lieber nicht.«
    Er unterbricht sein Stapfen. »Warum nicht?«
    Sie gräbt ihr unteres Zahnzickzack in die Oberlippe, wo es einen schwachen Abdruck hinterläßt. »Weil ich es lieber nicht tue... damit mußt du dich schon zufrieden geben.« Sein Blick bleibt starr auf sie gerichtet, fordert nähere Erklärungen. »Ich glaube nicht, daß es gut für dich ist«, sagt sie dann.
    Ich brauche ihn gar nicht ansehen, um zu wissen, wie er darauf reagiert. Lassen Sie mich raten: noch ein Lächeln, eines das sagt, ach, du arme Unschuldige, welche Ironie, daß du zu wissen glaubst, was gut für mich ist? Ich gucke hin. Richtig!
    »Alice«, sagt er mit einstudierter Nachsicht. »Du brauchst keine Angst zu haben.«
    »Ich habe keine Angst. Ich will bloß nicht, daß du glaubst, ich finde solche Spielchen in Ordnung.«
    »Nur einen Gegenstand.«
    »Hör mal, Nick«, sage ich, »wenn sie doch keine Lust hat.«
    »Na gut, Gabriel«, mischt sich Fran schließlich ein und reißt die Schiedsrichterrolle an sich, »dann spiel du doch mit.«
    Alle Augen ruhen auf mir. Wenn ich ja sage, denkt Alice, ich falle ihr in den Rücken. Aber mein innerer Mistkerl fühlt sich herausgefordert.
    »Na gut«, sage ich mit einem Blick zu Alice, der ihr vermitteln soll, daß ich bloß mitspiele, damit sie aus der Klemme ist. Ich bin dein Retter.
    »Gut«, sagt Nick im »Kommen wir zur Sache«-Ton. »Denk an einen Gegenstand. Lenk deine Gedanken eine Minute nur auf diesen einen Gegenstand.«
    Ich blicke mich um. In der Fruchtschale, inzwischen zwar auf ein Drittel ihrer ursprünglichen Größe zusammengeschrumpft, liegt immer noch diese popelige Orange. Orange - angeblich sollen Hirnwellen auf Farbe ja ultraempfänglich reagieren. Obwohl es natürlich für Nicks Rückkehr aus Plemplemland besser wäre, die Sache klappte nicht, beschließe ich, alles auf diese Orange zu setzen.
    Orange, denke ich so fest ich kann. Orange Orange Orange Orange. ORANGE. Johan Cruyff. Mobiltelefone. Nein, diese Frucht da in der Schale, diese spezielle Frucht. Eine Orange. Eine Orange. Eine große dicke Yellow-Submarine-psychedelische Orange, die am Himmel leuchtet und die Sonne übertrumpft.
    Ich öffne die Augen. Nick studiert angestrengt mein Gesicht; die Fingerspitzen seiner aneinandergelegten Hände bilden ein kleines Dach. »Nun?« sagt er.
    »Mußt du das Wort jetzt nicht aufschreiben und in einen verschlossenen Umschlag stecken oder so was?«
    »Gabriel«, sagt er gedehnt und nimmt die Hände auseinander. Ich spüre, daß er es nicht darauf anlegt, zu bescheißen; dazu ist er sich seiner selbst viel zu sicher, zumindest seines verrückten Selbsts. Alice und Fran, meine Liebe-Haß-Beziehung, sehen mich erwartungsvoll an.
    »Also gut«, sage ich und hole tief Luft, »es war >Orange<.«
    »Oh«, sagt er niedergeschlagen. »Ich dachte, es wäre >Katzennapf.<«

    »Wollen wir uns jetzt das Video angucken?« fragt Dina in einer Gesprächspause. Ben guckt auf seine Uhr, macht eine arithmetische Schätzung, ab welchem Minuspunkt zu jetzt der Zeitpunkt ist, an dem er mit Alice ins Bett geht. Es ist 22.23.
    »Ach komm«, sagt Alice und verschafft mir eine Pufferzone gegen diesen Gedanken. »Morgen ist Sonntag.« Engumschlungen schlummern, gemeinsam dahintreiben auf den Morgendämmerwellen, nichts müssen, nichts brauchen, nur einander. Zum Teufel. Das regelmäßige Sägen von Nicks Schnarchen vibriert durch die Wand. Den Strudel von Verunsicherung, in den sein telepathischer Fehlgriff ihn stürzte, bewältigte er, indem er sofort wieder in Tiefschlaf fiel, was ein zweites heikles Manövrieren seiner fast zwei Zentner durch die Wohnung erforderte.
    »Also gut«, sagt Ben. »Aber es ist bestimmt ein schrecklicher Kitsch.«
    »Es zwingt dich ja keiner, ihn anzugucken«, sage ich und tue verärgert, weil meine Wahl so verunglimpft wird. In Wirklichkeit irritiert mich aber ein Gedanke, der mir plötzlich gekommen ist: Ich weiß nicht, ob ich es verkrafte, mir in dieser Gesellschaft einen Heulfilm anzugucken. Mit allen dreien zusammenzusein, zerrt so schon triangulär genug an meinen Gefühlen; wenn sie (meine Gefühle, nicht Alice, Ben und Dina) sich freie Bahn machen, was zweifellos passieren wird, wenn Beaches auch nur halb so tränentreibend ist wie seine Kritik, Gott weiß was dann

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