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Abaddons Tor: Roman (German Edition)

Abaddons Tor: Roman (German Edition)

Titel: Abaddons Tor: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James S. A. Corey
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Chris.
    »Wer weiß?« Anna zuckte mit den Achseln. »Ich weiß nur, dass wir diese Fragen nicht stellen. Die Menschen tun üble Dinge, wenn sie Angst haben, und im Moment haben wir alle Angst.«
    »Tara ist gestorben«, sagte Chris.
    Anna durchforstete ihr Gehirn, um sich zu erinnern, wer Tara war. Chris bemerkte ihre Verwirrung und kam ihr zu Hilfe. »Sie hatte kurzes blondes Haar und war Marinesoldatin.«
    »O nein.« Anna schossen schon wieder Tränen in die Augen. Ihre zornige Marinesoldatin war gestorben. Eine ganze Zukunft, in der sie mit Tara zusammengearbeitet hatte, um die Quelle dieses Zorns aufzudecken, war zerstört. Gespräche, die sie schon im Kopf vorweggenommen hatte, Fragen, die sie stellen wollte, die Befriedigung, wenn sich die Marinesoldatin öffnete und sich ihr anvertraute. Alles fort, als hätte jemand einen Schalter umgelegt. In diesem Moment fiel es ihr schwer, sich nicht einfach Cortez’ Sichtweise anzuschließen. Immerhin hatten die Außerirdischen ein Mitglied ihrer Gemeinde getötet.
    Aber vielleicht nicht absichtlich, und auf die Absicht kam es an. Sonst hätte sie das Universum als sinnlos empfinden müssen.
    Sie schaffte es, ihren Besuch zu absolvieren, ohne, wie sie hoffte, allzu abgelenkt zu wirken. Danach suchte sie das Zelt, das man ihr zugewiesen hatte, um sich wenigstens etwas auszuruhen. Es war kaum anzunehmen, dass sie Schlaf finden würde. Kaum hatte Anna ihr Zelt entdeckt, tauchte Tilly Fagan auf. Anna hob den Arm zum Gruß, doch ehe sie ein Wort sagen konnte, schloss Tilly sie fest in die Arme und drückte sie, bis die Rippen knackten. Für eine so zierliche Frau war Tilly erstaunlich kräftig.
    »Ich war wütend auf mich selbst, weil ich Sie habe ziehen lassen.« Tilly drückte sogar noch fester und lehnte sich mit dem ganzen Gewicht gegen Anna. Tilly war schwer. Sie befanden sich in der rotierenden Walze. Daran musste man sich erst einmal gewöhnen.
    Als Tilly endlich ein wenig von ihr abließ, sagte Anna: »Ich glaube, das Erlebnis hat mich … verändert.«
    »Auch das war meine Schuld.« Wieder drückte Tilly zu. Anna erkannte, dass ihr nichts anderes übrig blieb, als es durchzustehen, und tätschelte Tilly im Kreuz, bis die Freundin sich beruhigte.
    Nach einigen Augenblicken gab Tilly Anna frei und trat einen Schritt zurück. Ihre Augen glänzten, und sie lächelte leicht. »Ich bin froh, dass Sie nicht gestorben sind. Alle anderen auf der Prince sind Schmierflecken.« Anna dachte lieber nicht darüber nach, wie Tilly auf diese Ausdrucksweise verfallen war. »Die Behemoth ist jetzt der sicherste Ort für uns«, fuhr Tilly fort. »Falls wir nicht herausfinden, wie wir aus dieser Falle entkommen können, ist sie das Schiff, das uns am längsten überleben lässt. Damit ist sie der Hochpreissektor der langsamen Zone.«
    »Ja, das ist … wichtig.«
    Tilly lachte, zückte eine Zigarette und zündete sie an, während sie umherwanderten. Als sie Annas schockierten Blick bemerkte, sagte sie: »Das darf man hier. Viele Gürtler rauchen. Sie sind besessen von ihren Luftfiltern, und dann saugen sie sich giftige Partikel in die Lungen und nennen es Freizeitvergnügen. Es ist eine sagenhafte Kultur.«
    Anna lächelte und wedelte den Rauch vor ihrem Gesicht weg.
    »Also«, sagte Tilly und tat so, als hätte sie es nicht bemerkt, »ich habe verlangt, dass sie mich mit dem ersten Shuttle rüberfliegen ließen. Haben Sie Holden gefunden?«
    »Nein, er war nicht da«, berichtete Anna. »Nur seine Crew. Möglicherweise habe ich ihnen aber das Leben gerettet.«
    Zuerst dachte sie, Tillys Miene spräche von Ernüchterung, aber das traf nicht ganz zu. Es war nicht Kälte, sondern Schmerz. Anna legte Tilly eine Hand auf den Arm.
    »Es gibt jemanden, mit dem Sie reden sollten«, erklärte Tilly. »Es wird Ihnen vermutlich nicht gefallen, aber Sie müssen das für mich tun. Ich werde Sie nie wieder um einen Gefallen bitten, und Sie haben bei mir mehr gut, als Sie in einem einzigen Leben überhaupt in Anspruch nehmen können.«
    »Ich will tun, was ich kann.«
    »Sie müssen Claire helfen.«
    Anna fühlte sich, als sei schlagartig die Luft aus dem Raum entwichen. Sie glaubte, wieder die gequälten Schreie zu hören, und spürte die Schläge auf der nachgebenden Schranktür. Chris, der ihr mitteilte, dass Tara gestorben war. Cortez, der mit angespannter, verzweifelter Stimme sprach. Sie holte tief Luft.
    »Ja«, versprach sie Tilly. »Natürlich helfe ich ihr.«

33    Bull
    »Sie müssen

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