Abaddons Tor: Roman (German Edition)
Gewebe waren die Umrisse eines billigen Handterminals zu erkennen.
»Alles hier, alles bereit«, sagte er. »Sie nehmen es und gehen als neuer Mensch hinaus, was?«
Melba zog ihr eigenes Handterminal aus der Tasche. Es war kleiner und besser als Travins Exemplar. Sie würde es vermissen. Sie tippte den Code ein, genehmigte den Transfer und schob es in die Tasche zurück. »In Ordnung«, sagte sie. »Das Geld gehört Ihnen. Jetzt die Lieferung.«
»Ah, es gibt da noch ein kleines Problem«, sagte Travin.
»Wir haben eine Abmachung, und ich habe meinen Teil getan«, erklärte Melba.
»Und das spricht für Sie«, stimmte Travin zu. »Aber mit Ihnen Geschäfte zu machen gefällt mir sehr. Da stößt man immer wieder auf aufregende Details. Als wir Ihr neues Ich erschaffen haben, mussten wir etwas DNA auf den Tisch legen und doppelte Eintragungen löschen. Ich glaube, Sie waren nicht ganz ehrlich mit uns.«
Sie schluckte und versuchte, den Knoten im Hals zu lösen. Der Mann mit den Insektenaugen rutschte auf dem Sofa hin und her. Das Material quietschte unter ihm.
»Mein Geld ist überwiesen«, sagte sie.
»So sollte es auch sein, alles in Ordnung«, erwiderte Travin. »Clarissa Melpomene Mao, Tochter von Jules-Pierre Mao, dem Besitzer von Mao-Kwikowski Mercantile. Ein höchst interessanter Name.«
»Mao-Kwikowski wurde verstaatlicht, als mein Vater ins Gefängnis musste«, erwiderte Melba. »Die Firma existiert nicht mehr.«
»Das Todesurteil für die Firma.« Travin legte den Umschlag auf den Tisch. »Wie traurig. Aber nicht für Sie, was? Reiche Männer kennen sich mit Geld aus und finden immer einen Weg, es dort unterzubringen, wo fremde Augen es nicht finden können. Manchmal geben sie es ihren Frauen. Oder ihren Töchtern.«
Sie verschränkte die Arme vor der Brust und sah ihn finster an. Der Bodybuilder auf dem Sofa unterdrückte ein Gähnen, das vielleicht sogar echt war. Sie ertrug das ausgedehnte Schweigen nicht etwa, weil sie Travin zwingen wollte weiterzusprechen, sondern weil ihr nichts mehr einfiel. Natürlich hatte er recht, Daddy hatte für sie alle gesorgt, so gut er konnte. Das hatte er immer getan. Nicht einmal die Strafverfolgung der Vereinten Nationen konnte alles aufdecken. Clarissa besaß genügend Geld, um auf Luna oder Mars ein stilles, zurückgezogenes Leben zu führen und an Altersschwäche zu sterben, ehe das Vermögen verbraucht war. Doch sie war jetzt nicht mehr Clarissa, und Melbas Situation sah anders aus.
»Ich kann Ihnen noch einmal zehntausend geben«, erklärte sie. »Mehr habe ich nicht.«
Travin lächelte sein graues Lächeln.
»Ist all das hübsche Geld auf und davon, was? Und was führt Sie nun in die Unterwelt? Man macht sich so seine Gedanken, und ich habe mich umgehört. Sie sind sehr, sehr gut. Obwohl ich mich auskenne, habe ich nicht mehr als Schatten gesehen und Echos gehört. Aber …« Er schob den Umschlag hin und her und hielt immer einen Finger darauf, wie es ihr Bruder Petyr getan hatte, wenn er sich eines Schachzugs ganz sicher war, sich aber noch nicht ganz überwunden hatte, sich festzulegen. Es war eine besitzergreifende Geste. »Ich habe etwas, das niemand sonst hat. Ich weiß, wie man den Ring betrachten muss.«
»Zehntausend, mehr habe ich nicht. Ehrlich. Den Rest habe ich ausgegeben.«
»Also brauchen Sie mehr Geld?«, fragte Travin. »Sozusagen eine Investition? Unsere kleine Melba kann zehntausend bekommen, wenn Sie sie brauchen. Fünfzigtausend, wenn es wirklich nötig ist. Aber ich will mehr als das zurückbekommen. Viel mehr.«
Wieder wurde ihr die Kehle eng. Als sie den Kopf schräg legte, war die Bewegung zu schnell, zu verkrampft. Wie ein Vogel. Voller Angst.
»Was reden Sie da?« Es fiel ihr schwer, mit fester Stimme zu sprechen. Unausgesprochene Drohungen lagen in der Luft wie schlechtes Parfüm: männlich und billig. Als er wieder das Wort ergriff, war er ganz falsche Freundlichkeit.
»Wir sind Partner. Sie haben etwas Großes vor. Etwas mit dem Ring und der Flotte, was? All diese Leute, die da im Dunklen unterwegs sind, um die Ungeheuer zu jagen. Und Sie gehen dorthin. Mir scheint, so etwas tut man nur, wenn man einen sehr großen Gewinn erwartet. Einen Gewinn, wie er einem Mao gut zu Gesicht stehen würde. Sie sagen mir, wie Ihr Plan aussieht, und ich helfe Ihnen nach Kräften, und dann teilen wir, was Sie damit einnehmen.«
»Kommt nicht infrage«, antwortete sie impulsiv. Über so eine Entscheidung musste sie nicht
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