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Abaddons Tor: Roman (German Edition)

Abaddons Tor: Roman (German Edition)

Titel: Abaddons Tor: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James S. A. Corey
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gut«, schaltete sich Clarissa ein.
    »Nein, es ist nicht gut«, widersprach Anna. »Ich bin ihre Seelsorgerin, und alles, was wir besprechen, ist vertraulich. Bitte öffnen Sie die Tür und bringen Sie uns in einen Raum, wo wir reden können.«
    »Jojo«, sagte der Kapitän am Ende des Ganges. Ashford. So hieß der Mann. »Das ist schon in Ordnung. Sie können die Leute in das Kühlhaus bringen. Es wird nicht gebraucht und kann von außen versperrt werden.«
    »Dann habe ich eine tote Priesterin, ano sa?«
    »Ich glaube nicht«, meinte Anna.
    »Dann glauben Sie an Vakuumfeen«, erklärte der Wächter, schloss aber immerhin die Zellentür auf. Die Gitterstäbe schwangen auf. Clarissa zögerte. Hinter dem Wächter und der Priesterin spähte der in Ungnade gefallene Kapitän Ashford durch die Gitterstäbe, um alles zu beobachten. Er brauchte dringend eine Rasur und wirkte, als habe er geweint. Clarissa packte die kalten Stahlstäbe ihrer Tür. Der Drang, sie wieder zu schließen und sich zurückzuziehen, war überwältigend.
    »Schon gut«, sagte Anna.
    Clarissa ließ die Tür los und trat heraus. Der Wächter zog die Handfeuerwaffe und setzte sie ihr in den Nacken. Anna schnitt eine schmerz liche Grimasse. Ashfords Miene veränderte sich überhaupt nicht.
    »Ist das wirklich nötig?«
    »Implantate.« Der Wächter schubste Clarissa, damit sie sich in Bewegung setzte. Sie ging los.
    Das Kühlhaus war warm und größer als die Messe auf der Cerisier . Am Boden, unter der Decke und an beiden Wänden liefen Metallstreifen mit Kerben im Abstand von wenigen Zentimetern entlang, an denen die verhinderten Kolonisten der Mormonen Zwischenwände und Abteile befestigt hätten. Es war sinnvoll, dass sich die Boxen des Tierarztes, die jetzt als Gefängnis dienten, in der Nähe des Schlachthauses befanden. Aus den in die Wände eingelassenen LEDs fiel grelles weißes Licht, das nirgends gedämpft wurde und harte Schlagschatten warf.
    »In fünfzehn Minuten bin ich wieder da«, verkündete der Wächter, nachdem er Clarissa durch die Tür geschoben hatte. »Wenn du dich nicht benimmst, erschieße ich dich.«
    »Danke, dass Sie es uns erlauben, vertraulich zu reden.« Anna trat hinter Clarissa durch die Tür, die sich gleich darauf schloss. Der Riegel klirrte wie die Tore der Hölle. Das Licht flackerte, und sofort dachte Clarissa empört: Der Verschlussmagnet sollte nicht an demselben Stromkreis hängen wie das Licht. Es war wie ein Relikt aus einem anderen Leben.
    Anna fasste sich und streckte die Hand aus.
    »Wir sind uns schon einmal begegnet, aber wir haben uns einander noch nicht richtig vorgestellt. Ich heiße Anna.«
    Die lebenslang eingeübte Etikette gewann die Oberhand. Die Finger der Frau fühlten sich sehr warm an.
    »Sind Sie wirklich meine Seelsorgerin?«
    »Tut mir leid«, antwortete Anna. »Ich wollte nicht voreilig sein. Ich war wütend und habe versucht, meine Stellung in die Waagschale zu werfen.«
    »Ich kenne Menschen, die etwas Schlimmeres tun, wenn sie wütend sind.«
    Clarissa ließ die Hand der Frau wieder los.
    »Ich bin mit Tilly befreundet. Sie hat mir nach dem Unglück auf dem Schiff geholfen. Ich war verletzt und konnte nicht mehr klar denken, aber sie hat mich unterstützt«, berichtete Anna.
    »Ja, das kann sie gut.«
    »Tilly kannte auch Ihre Schwester und Ihren Vater. Die ganze Familie.« Anna presste unwillig die Lippen zusammen. »Ich wünschte, man hätte uns hier Stühle gegeben. Es kommt mir vor, als stünden wir an einer Bushaltestelle.«
    Anna holte tief Luft, seufzte durch die Nase und ließ sich im Schneidersitz in der Mitte des Raumes nieder. Sie klopfte neben sich auf den Metallboden. Clarissa zögerte, dann setzte auch sie sich hin. Sie kam sich wieder vor, als sei sie fünf Jahre alt und lümmelte im Kindergarten auf einer Decke.
    »Schon besser«, sagte Anna. »Nun ja, Tilly hat mir eine Menge über Sie erzählt. Sie macht sich Sorgen.«
    Clarissa legte den Kopf schief. Anscheinend war dies eine Bemerkung, auf die sie irgendetwas antworten sollte. Tatsächlich spürte sie den Drang zu sprechen, ihr fiel aber nichts ein, was sie sagen sollte. Nach einer kleinen Pause sprach Anna weiter und versuchte es behutsam noch einmal.
    »Ich mache mir ebenfalls Sorgen.«
    »Warum?«
    Annas Blick wurde leer. Einen Moment lang schien es, als führte sie eine innere Auseinandersetzung, aber es dauerte nicht lange. Dann beugte sie sich mit gefalteten Händen vor.
    »Bisher habe ich Ihnen nicht helfen

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