Abaddons Tor: Roman (German Edition)
Kapitän Ashford mit Berichten überhäuft werden, und Pa als seine XO musste sie ebenfalls lesen. Bull bekam die Krumen, die sie ihm freiwillig überließen, und musste sich ansonsten mit dem Einheitsbrei und den panischen Ideen begnügen, die in den Newsfeeds die Runde machten. Ashford und Pa würden während ihrer Schichten häufig an Konferenzen teilnehmen, Strategien und Möglichkeiten durchdenken und Szenarien durchspielen, um zu klären, wie es laufen konnte, wenn sie den Ring erreichten. Bull musste sich um den trivialen Kram kümmern und ihnen den Rücken frei halten.
Und irgendwie würde er dafür sorgen, dass die Mission erfolgreich verlief, weil Fred ihn darum gebeten hatte.
»Hallo, Chief«, sagte Serge. Bull riss sich von dem Feed auf seinem Schreibtischdisplay los. Serge war in der Tür des Büros stehen geblieben. »Die Schicht ist vorbei, ich mach jetzt Feierabend.«
»Alles klar«, stimmte Bull zu. »Ich habe noch zu tun. Ich schließe hier ab, wenn ich fertig bin.«
»Alles bien.« Serge nickte. Mit leichten, schlurfenden Schritten bewegte er sich durch den Raum. Draußen auf dem Flur raufte Gutmansdottir sich den weißen Bart, und Casimir sagte etwas, über das sie beide kicherten. Corin nickte Serge zu, als dieser nach draußen trat und hinter sich die Tür schloss. Als Bull sicher war, dass niemand ihn beobachtete, rief er den Operationsplan auf und begab sich auf die Suche. Er hatte nicht die Befugnis, etwas zu verändern, aber das hieß noch lange nicht, dass er nichts ausrichten konnte.
Als er zwei Stunden später fertig war, schaltete er den Bildschirm ab und stand auf. Im Büro war es dunkel und kälter, als es ihm lieb war. Das Lüftungssystem summte beruhigend. Falls es einmal völlig verstummte, musste man sich ernstlich Sorgen machen. Er streckte sich, die Wirbel zwischen den Schulterblättern knirschten wie Kies.
Wahrscheinlich hingen Serge, Corin und Casimir noch in der Bar herum. Macondo und Garza waren einander so ähnlich, dass sie Brüder hätten sein können. Jojo. Seine Leute. Jedenfalls in dem Maße, wie sie überhaupt die Seinen sein konnten. Er sollte hingehen und etwas Zeit mit ihnen verbringen. Bei ihnen sein, Freundschaften schließen.
Er sollte in die Koje gehen.
»Komm schon, alter Mann«, sagte er. »Zeit, etwas Ruhe zu finden.«
Als er die Bürotür geschlossen hatte, erinnerte er sich an Sams Worte: Selbst wenn alle nüchtern sind und sich den Arsch aufreißen, schafft meine Crew es nicht schneller. Er zögerte, die dicken Finger schwebten über dem Keypad. Es war schon spät. Er musste etwas essen und schlafen und sich eine Stunde oder so ins Familienportal einklinken, das sein Cousin vor drei Jahren eingerichtet hatte, damit sie alle die Übersicht behielten, wer gerade wo lebte. Eine Packung gefriergetrockneter grüner Paprika direkt von der Erde wartete auf ihn. Am nächsten Morgen wäre die ganze Arbeit noch da, und ein paar neue Sachen dazu. Er musste sich nicht unbedingt noch mehr aufhalsen. Niemand würde es ihm danken.
Er ging wieder hinein, schaltete den Schreibtisch ein und las die Verletztenmeldung.
Sam lachte laut, die Geräusche kamen tief aus dem Bauch, hallten durch den Maschinenraum und kamen als Echo von der Decke und den Wänden zurück, bis es klang, als sei sie ein ganzer Chor. Auf der anderen Seite drehten sich zwei Techniker zu ihr um und lächelten, ohne zu wissen, worüber.
»Technischer Support?«, sagte sie. »Sie machen Witze.«
»Eine Railgun ist ein ziemlich technisches Gerät«, erwiderte Bull. »Es braucht einen Support.«
»Sie haben also das, was ich mache, einfach als Technischer Support neu definiert.«
»Genau.«
»Das haut im Leben nicht hin«, prophezeite sie.
»Dann machen Sie sich rasch an die Arbeit«, riet Bull ihr.
»Ashford wird Ihnen ein Disziplinarverfahren anhängen«, warnte sie. Die Belustigung ließ etwas nach, schwand aber nicht ganz und gar.
»Das ist sein gutes Recht. Aber es gibt noch eine andere Sache, über die ich mit Ihnen reden will. Gestern sagten Sie mir, wie lange es dauern würde, den Job zu erledigen, wenn alle in Ihrer Crew nüchtern sind.«
Es war, als hätte er ein Licht ausgeschaltet. Das Lächeln wich aus Sams Miene, als wäre es nie dort gewesen. Sie verschränkte die Arme vor der Brust. In den Mundwinkeln bildeten sich winzige halbmondförmige Grübchen, mit denen sie älter aussah, als sie tatsächlich war. Bull nickte, als hätte sie etwas Bedeutendes von sich
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