Abaddons Tor: Roman (German Edition)
Cortez ab. »Mein Arsch von Göttergatte kann sich das leisten.«
Nach dieser Entgleisung herrschte einige Augenblicke lang ein betretenes Schweigen, bis Vater Michel Anna um Verzeihung heischend anlächelte. Sie erwiderte das Lächeln. Inzwischen war sie ganz und gar verwirrt und hatte die Orientierung verloren.
»Ich frage mich, was er mit denen da will.« Tilly deutete auf eine Gruppe von Leuten. »Diese Künstler und Autoren und Schauspieler – wie viele Stimmen bringt ihm ein Bühnenkünstler ein? Wählen die überhaupt?«
»Es ist eher ein symbolischer Akt.« Vater Michel setzte eine gut einstudierte nachdenkliche Miene auf. »Wir sind alle nur Menschen, die zusammenkommen, um das große Rätsel unserer Zeit zu erforschen. Weltlichkeit und Geistlichkeit treten gemeinsam vor dieses ungeheure Geheimnis: Was ist der Ring?«
»Wie hübsch«, meinte Tilly. »Es zahlt sich doch immer aus, wenn man ordentlich probt.«
»Danke«, erwiderte der Bischof.
»Was ist der Ring?«, fragte Anna mit gerunzelter Stirn. »Es ist das Tor eines Wurmlochs, daran besteht doch kein Zweifel, oder? Auf einer theoretischen Ebene reden wir schon seit Jahrhunderten darüber. Genau so sehen Wurmlöcher aus. Etwas fliegt hindurch, und man sieht es nicht an der anderen Seite herauskommen. Wir empfangen gedämpfte Sendesignale von drüben. Es ist ein Wurmloch.«
»Das ist gewiss eine Möglichkeit«, räumte Vater Michel ein. Tilly lächelte, als sie bemerkte, wie pikiert er in Wahrheit war. »Wie sehen Sie denn unsere Mission dort, Anna?«
»Wichtig ist nicht, was es ist.« Sie war froh, dass sich die Unterhaltung wieder auf vertrautem Terrain bewegte. »Es kommt darauf an, was es bedeutet . Dies verändert unsere ganze Welt, und wenn es noch so wundervoll ist, es wird andere Dinge verdrängen. Die Menschen müssen einen Weg finden, dies in ihr Verständnis des Universums einzufügen. Wir müssen erkennen, was uns dies über Gott sagt, was uns dieses fremde Ding über ihn erzählt. Nur indem wir hier sind und es selbst erleben, können wir den Menschen wirklich Trost spenden.«
»Ich stimme Ihnen zu«, sagte Cortez. »Unsere Arbeit dreht sich doch darum, den Menschen zu helfen, die großen Geheimnisse zu begreifen, und dieses hier ist ein Hammer.«
»Nein«, setzte Anna an, »ich meinte nicht, dass so etwas zu erklären …«
»Spielen Sie die Karten richtig aus, und Esteban bekommt noch einmal vier Jahre«, fiel ihr Tilly ins Wort. »Dann können wir von einem Wunder reden.«
Cortez grinste breit jemanden an, der sich auf der anderen Seite des Raumes befand. Ein Mann, der bei einer kleinen Gruppe anderer Gäste stand, die lockere orangefarbene Gewänder trugen, hob die Hand und winkte.
»Kann man diesen Leuten überhaupt etwas glauben?«, fragte Tilly.
»Das sind wohl die Delegierten der Kirche der menschlichen Aufgestiegenen«, sagte Anna.
Tilly schüttelte den Kopf. »Die Aufgestiegenen, also ehrlich. Ich meine, so geht das doch nicht – einfach eine neue Religion gründen und behaupten, wir seien selbst die Götter.«
»Vorsicht«, warnte Cortez. »Sie sind nicht die Einzigen.«
Vater Michel, der Annas Unbehagen bemerkte, eilte ihr zu Hilfe. »Dr. Volovodov, ich kenne die Älteste dieser Gruppe. Sie ist eine wundervolle Frau, mit der ich Sie gern bekannt machen möchte. Wenn die anderen Herrschaften uns bitte entschuldigen wollen.«
»Verzeihung«, sagte Anna. Als es im Raum schlagartig still wurde, hielt auch sie inne. Vater Michel und Cortez hefteten die Blicke auf etwas, das sich im Zentrum des Saals in einer Menschengruppe in der Nähe der Bar abspielte. Zuerst war es schwer zu erkennen, weil sich die meisten Gäste zu den Wänden zurückzogen. Schließlich aber kam ein junger Mann zum Vorschein, der einen schrecklichen grellen roten Anzug trug. Er hatte irgendetwas über sich gegossen, von den Schultern der Jacke tropfte eine durchsichtige Flüssigkeit auf den Boden. Ein starker Alkoholgeruch breitete sich aus.
»Das ist für das Ashtun-Kollektiv!«, rief der junge Mann mit einer Stimme, die vor Furcht und Erregung bebte. »Freiheit für Etienne Barbara! Freiheit für das afghanische Volk!«
»Gütiger Gott«, sagte Vater Michel. »Er wird sich gleich …«
Anna sah nicht, was das Feuer auslöste, doch auf einmal stand der junge Mann in Flammen. Tilly schrie auf. Anna war schockiert und reagierte vor allem empört auf den Schrei. Wirklich, wann hatte man schon einmal ein Problem durch Schreien gelöst? Dann
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