Abaddons Tor: Roman (German Edition)
beisammenzuhalten.
Der Kadett schob ihr Gepäck auf einem kleinen Rollwagen zu einer Reihe von Aufzügen.
»Die Aufzüge laufen durch das gesamte Schiff«, sagte er, als er auf einen Knopf drückte. »Wir nennen sie Kielaufzüge …«
»Weil sie am Kiel des Schiffs entlanglaufen?«, fiel Anna ihm ins Wort.
»Ja! So hieß früher der unterste Teil der seegängigen Schiffe, und die Raumfahrzeuge haben die alten Bezeichnungen übernommen.«
Anna nickte. Seine Begeisterung war anstrengend und charmant zugleich. Er wollte sie beeindrucken, also beschloss sie, beeindruckt zu sein. Wenigstens diese kleine Freude konnte sie ihm gönnen.
»Natürlich ist der Kiel eines Schiffs heute eine recht willkürliche Bezeichnung«, fuhr er fort, als der Aufzug emporstieg. »Wir nutzen ja die durch den Schub erzeugte Schwerkraft, und daher ist der Boden immer die Richtung, aus welcher der Schub kommt und in die uns die Schwerkraft zieht. Aufwärts bedeutet immer, sich vom Antrieb zu entfernen. Die anderen vier Richtungen kann man kaum voneinander unterscheiden. Kleinere Schiffe können auf Planeten landen, und dort sind am Kiel die Landestützen und die Düsen für den Start untergebracht.«
»Ich kann mir vorstellen, dass die Prince dazu viel zu groß ist«, sagte Anna.
»Ja, sie ist riesig! Aber unsere Shuttles und Korvetten können auf der Oberfläche landen, auch wenn es nicht sehr oft geschieht.«
Ein Gong schlug an, und die Aufzugtür glitt auf. Der Kadett schob ihren Gepäckwagen in den Gang hinaus. »Wenn wir das Gepäck in Ihrer Unterkunft untergebracht haben, können wir die Besichtigungstour fortsetzen.«
»Kadett?«, fragte Anna. »Ist das die richtige Art, Sie anzusprechen?«
»Gewiss. Oder Mister Ichigawa, oder sogar Jin, da Sie ja Zivilistin sind.«
»Jin«, fuhr Anna fort. »Wäre es in Ordnung, wenn ich eine Weile in meinem Zimmer bleibe? Ich bin sehr müde.«
Ihr Gepäck war vergessen, er blinzelte zweimal. »Aber der Kapitän sagte, alle VIP-Gäste sollen eine vollständige Besichtigungstour bekommen. Einschließlich der Brücke, die gewöhnlich ausschließlich für wachhabendes Personal zugänglich ist.«
Anna legte dem Burschen eine Hand auf den Arm. »Ich weiß dieses großzügige Angebot sehr zu schätzen, aber ich würde die Brücke lieber sehen, wenn ich auch die Augen offen halten kann. Das verstehen Sie doch sicher, oder?« Sie drückte seinen Arm und lächelte.
»Gewiss.« Er erwiderte das Lächeln. »Hier entlang bitte, Madam.«
Wenn sie sich umsah, war Anna gar nicht mehr so sicher, ob sie den Rest des Schiffs überhaupt besichtigen wollte. Die Gänge glichen sich wie ein Ei dem anderen – fast überall herrschte ein glattes graues Material vor, unter dem etwas Schwammartiges saß. Anna vermutete, dass es sich um eine Schutzvorkehrung handelte, damit die Besatzungsmitglieder nicht verletzt wurden, wenn sie bei Manövern gegen die Wände prallten. Wo kein graues Plastik war, sah man graues Metall. Die meisten Besucher hätten vermutlich die Gerätschaften, mit denen das Schiff andere Schiffe vernichten konnte, besonders beeindruckend gefunden. Das waren jedoch genau die Einzelheiten, für die sie sich am wenigsten interessierte.
»Ist das in Ordnung?«, fragte Ichigawa nach einem kurzen Schweigen. Anna hatte keine Ahnung, was er von ihr wollte. »Ich meine, dass ich Sie Madam nenne? Einige VIPs haben Titel – Pastor, Hochwürden, Kaplan. Ich will Sie nicht beleidigen.«
»Nun, wenn ich Sie nicht mag, dann bitte ich Sie, mich Hochwürden Dr. Volovodov zu nennen. Aber ich mag Sie sehr, also lassen Sie das bitte.«
»Danke.« Jin errötete bis zum Nacken.
»Wenn Sie ein Mitglied meiner Gemeinde wären, müssten Sie mich Pastorin Anna nennen. Sind Sie Buddhist?«
»Nur wenn ich meine Oma besuche«, erwiderte Jin zwinkernd. »Die restliche Zeit arbeite ich bei der Navy.«
»Ist das jetzt eine Religion?«, fragte Anna lachend.
»Die Navy glaubt das.«
»Also schön.« Wieder lachte sie. »Sie können mich auch einfach Anna nennen.«
»Ja, Madam.« Jin blieb vor einer grauen Tür mit der Aufschrift »OQ 297-11« stehen und überreichte ihr ein Metallplättchen. »Dies ist Ihr Zimmer. Wenn Sie die Karte bei sich tragen, entriegelt sich die Tür von selbst. Wenn Sie drin sind, bleibt sie verschlossen, solange Sie nicht auf den gelben Knopf an der Wand drücken.«
»Das klingt sehr sicher.« Anna nahm die Keycard entgegen. Jin schüttelte den Kopf.
»Dies ist das Schlachtschiff Thomas
Weitere Kostenlose Bücher