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Abaddons Tor: Roman (German Edition)

Abaddons Tor: Roman (German Edition)

Titel: Abaddons Tor: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James S. A. Corey
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hängen lassen, aber die Muskeln entspannten sich, und die Stirnen wurden glatt. Ein paar Gemeindemitglieder lächelten traurig. Sogar die wütende junge Marinesoldatin fuhr sich mit den Fingern durch den blonden Bürstenschnitt und nickte, ohne jemanden anzusehen.
    »Lasst uns auch nächste Woche eine Andacht halten«, schlug Anna vor, ehe sie die Gruppe wieder verlor. »Wir können das Abendmahl feiern und vielleicht noch eine Weile plaudern, wenn wir wollen. In der Zwischenzeit steht meine Tür jederzeit offen. Bitte melden Sie sich bei mir, wenn Sie reden möchten.«
    Die Gruppe löste sich auf, die Ersten wandten sich zur Tür. Anna hielt Chris’ Hand fest. »Könnten Sie noch einen Moment warten? Ich möchte Sie etwas fragen.«
    »Chris«, sagte die Marinesoldatin in einem ironischen Singsang. »Jetzt wirst du zum Priester geweiht.«
    »Das ist nicht witzig«, wies Anna sie mit schneidender Stimme zurecht. Die Soldatin war wenigstens so anständig zu erröten.
    »Entschuldigung, Madam.«
    »Sie können jetzt gehen.« Die Marinesoldatin gehorchte. »Chris, erinnern Sie sich an die junge Frau, die bei unserer ersten Begegnung in der Offiziersmesse gesessen hat?«
    Er zuckte mit den Achseln. »Da sind viele Gäste ein und aus gegangen.«
    »Diejenige, die ich meine, hatte langes dunkles Haar und wirkte sehr traurig. Sie trug Zivilkleidung.«
    »Oh«, erwiderte Chris grinsend. »Die Hübsche. Ja, an die erinnere ich mich.«
    »Kannten Sie sie?«
    »Nein. Sie war nur eine zivile Vertragspartnerin, die unsere Kanalisation geflickt hat, würde ich sagen. Zwei Schiffe voller solcher Privatfirmen begleiten die Flotte. Warum?«
    Das war eine gute Frage. Wenn sie ehrlich war, konnte sie nicht einmal genau sagen, warum die zornige junge Frau sie während der letzten Tage so stark beschäftigt hatte. Offenbar hatte sie irgendetwas an sich gehabt, das sich in Annas Erinnerungen festgesetzt hatte wie ein Kniff in einer Hose. Immer wenn sie gereizt und nervös war, stand unvermittelt das Gesicht des Mädchens vor ihren Augen. Die Wut und die Bedrohung, die sie ausgestrahlt hatte. Die zeitliche Nähe dieser Begegnung zu den plötzlich ausbrechenden Feindseligkeiten und den beschädigten Schiffen und den Leuten, die aufeinander schossen. Es gab keinen ersichtlichen Zusammenhang zwischen alledem, doch Anna konnte das Gefühl nicht abschütteln, dass es eine Verbindung gab.
    »Ich sorge mich um sie«, erklärte Anna schließlich. Wenigstens war es keine Lüge.
    Chris spielte an seinem Handterminal herum. Nach ein paar Sekunden sagte er: »Melba Koh. Elektrochemikerin. Wahrscheinlich wird sie bis zur Rückkehr immer wieder mal auf diesem Schiff auftauchen. Vielleicht begegnen Sie ihr noch einmal.«
    »Schön.« Anna fragte sich allerdings, ob sie sich dies wirklich wünschte.
    »Wissen Sie, was wirklich nervt?«, fragte Tilly. Ehe Anna antworten konnte, fuhr sie fort: »Das hier nervt.«
    Sie musste nichts weiter sagen. Sie schwebten zusammen vor einem Tisch in der Zivilkantine. Auf dem Tisch war eine kleine Plastikkiste mit Magnetfüßen verankert. Darin befanden sich verschiedene Schlauchpackungen, die mit Protein und kohlenhydrathaltigen Pasten in diversen Farben und Geschmacksrichtungen gefüllt waren. Neben dem Kasten klebten zwei Trinkbeutel. Anna trank Tee, Tilly hatte Kaffee genommen. Die Offiziersmesse mit den höflichen Kellnern, den individuell zubereiteten Mahlzeiten und der offenen Bar war nur noch eine ferne Erinnerung. Tilly hatte seit mehreren Tagen nichts Alkoholisches mehr getrunken. Die beiden Frauen hatten ebenso lange nichts mehr gegessen, das man kauen musste.
    »Hafer mit Rosinen ist gar nicht so schlecht. Da könnte sogar echter Honig drin sein.« Anna hob einen der weißen Plastikschläuche hoch. Tilly flog nicht zum ersten Mal durch den Raum. Ihr Gatte besaß auf jedem größeren Felsen im Sonnensystem ein Anwesen. Dennoch vermutete Anna, dass die Frau in ihrem ganzen Leben noch nie ihr Essen aus einer Plastikröhre herausgequetscht hatte. Ein Pilot, der schlecht plante und Tillys Schiff während einer Mahlzeit schwerelos treiben ließ, wurde vermutlich im nächsten Raumhafen gefeuert.
    Tilly nahm sich ein Päckchen Haferpampe, zog die Lippen kraus und schnippte es mit zwei Fingern weg. Es drehte sich neben ihrem Kopf wie ein winziger Hubschrauber.
    »Annie«, sagte Tilly. »Wenn ich üble Flüssigkeiten aus einer schlaffen und langweiligen Röhre saugen wollte, wäre ich bei meinem Mann auf der Erde

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