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Abaddons Tor: Roman (German Edition)

Abaddons Tor: Roman (German Edition)

Titel: Abaddons Tor: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James S. A. Corey
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Imbiss ging es jedenfalls nicht.
    »Ich habe eine ganze Predigt über David vorbereitet«, erzählte sie im Plauderton. »Es ging um die Bürde, die wir unseren Soldaten auferlegen. Um die Opfer, die wir Ihnen zum Wohl des Ganzen zumuten.«
    Chris hob den Blick. Die junge Marinesoldatin steckte das Handterminal weg. Da sich die Kanzel hinten befand, war der Konferenzraum auf dieser Seite nichts als ein neutraler grauer Kasten. Vor Anna schwebte die kleine Gruppe der Soldaten, doch auf einmal verlagerte sich die Perspektive, und sie befand sich über ihnen und stürzte auf sie hinab. Eilig blinzelte sie, um den Eindruck abzuschütteln. Gleichzeitig schluckte sie den Zitronengeschmack der Übelkeit herunter.
    »David?«, fragte ein junger Mann mit braunem Haar und dunkler Haut. Er hatte einen Akzent, den sie für australisch hielt.
    »Der König Israels«, warf ein anderer junger Mann ein.
    »Das ist doch nur die freundliche Version«, erwiderte die Marinesoldatin. »Er ist der Mann, der einen seiner eigenen Untergebenen getötet hat, weil er mit dessen Frau schlafen wollte.«
    »Er hat für sein Land und seinen Glauben gekämpft«, schaltete sich Anna ein. Jetzt benutzte sie die Lehrerstimme, mit der sie in den Bibelstunden für Jugendliche sprach. Diese Stimme machte jedem Zuhörer sofort klar, wer das Sagen hatte. »Das ist der Teil, der mir jetzt wichtig ist. Ehe er König war, diente er als Soldat und wurde oft von denen, in deren Diensten er stand, nicht anerkannt. Immer wieder stellte er sich vor diejenigen, die zu schützen er geschworen hatte, obwohl die Anführer seine Hingabe gar nicht verdient hatten.«
    Wieder nickten einige Köpfe. Niemand betrachtete das Handterminal. Anna hatte das Gefühl, sie wieder eingefangen zu haben.
    »Seit Anbeginn der Zeit erwarten wir dies von unseren Soldaten«, fuhr sie fort. »Jeder hat etwas aufgegeben, um hierherzukommen. Oft sind wir eurer Dienste unwürdig, und doch stellt ihr euch uns zur Verfügung.«
    »Warum haben Sie es nicht gemacht?«, fragte Chris. »Die Predigt gehalten, meine ich.«
    »Weil ich Angst habe«, antwortete Anna. Sie nahm Chris’ Hand mit der Linken und die Hand des Australiers mit der Rechten. Ohne eine weitere Anweisung wurde aus der losen Wolke ein Ring von Menschen, die sich an den Händen hielten. »Ich habe große Angst, und ich will nicht über Soldaten und Opfer reden. Ich will darüber reden, dass Gott auf mich achtgibt und sich darum sorgt, was mit mir geschieht. Ich dachte, anderen Menschen geht es vielleicht ähnlich.«
    Wieder nickten die anderen. Chris sagte: »Als die Spargelstangen das Schiff in die Luft gejagt haben, dachte ich, wir wären alle tot.«
    »Verdammt, ich auch«, stimmte die Marinesoldatin zu. Sie warf Anna einen verlegenen Blick zu. »Verzeihung, Madam.«
    »Schon gut.«
    »Sie sagen, sie hätten es nicht getan«, warf eine andere Frau ein. »Sie haben auf Holden geschossen.«
    »Ja, und dann hat sich aus unerfindlichen Gründen ihr ganzes Schiff abgeschaltet. Hätten die Staubbeutel Holden nicht markiert, dann wäre er einfach davongekommen.«
    »Sie werden ihn verfolgen«, sagte die junge Marinesoldatin.
    »Die Staubbeutel drohen, die Behemoth in die Luft zu jagen, wenn sie durchfliegt.«
    »Zum Teufel mit den Staubbeuteln«, meinte der Australier. »Wir machen jeden fertig, der einen Streit anfängt.«
    »Na gut«, unterbrach Anna sanft. »Die Staubbeutel sind Marsianer. Sie werden lieber Marsianer genannt. Und die Leute von den äußeren Planeten Spargelstangen zu nennen ist ebenfalls unhöflich. Solche Bezeichnungen entmenschlichen eine Gruppe, damit man sich nicht so schlecht fühlt, wenn man sie tötet.«
    Die Marinesoldatin schnaubte nur und wandte den Blick ab.
    »Außerdem sollten wir hier draußen alles Mögliche tun, aber nicht kämpfen«, fuhr Anna fort. »Habe ich nicht recht?«
    »Ja«, stimmte Chris zu. »Wenn wir hier draußen kämpfen, sind wir alle tot. Hier gibt es keine Unterstützung, keine Verstärkung und nichts, was als Deckung dienen kann. Drei bewaffnete Flotten, und nichts Größeres als ein einsames Wasserstoffatom als Deckung. So was nennen wir die Mörderarena.«
    Das Schweigen dehnte sich, endlich seufzte der Australier. »Genau.«
    »Außerdem kann auch noch etwas aus dem Ring herauskommen.«
    Sobald es der Erste ausgesprochen hatte, mussten die anderen es anerkennen, und die Spannung fiel von ihnen ab. Da sie alle in der Mikrogravitation schwebten, konnte niemand die Schultern

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