Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition)
Einfahrt der Einbahnstraße auf und riegelte sie ab. Dann war der Streifenwagen bis auf dreißig Meter an Olsen herangefahren. Plötzlich gab Olsen Gas. Doch diesmal fuhr er rückwärts und schoss auf den Streifenwagen zu. Die Schrecksekunde der Beamten verhinderte, dass sie noch reagieren konnten. Das Heck des Kombi schlug in der Front des Streifenwagens ein. Sofort platzten die Airbags des Wagens auf und trafen die Polizisten ins Gesicht. Olsen legte den Vorwärtsgang ein und fuhr davon. Er hörte das Schleifen von Metall, aber das kümmerte ihn nicht. Er hörte einen Knall, doch er fuhr einfach weiter. Immer weiter. Richtung Mitte. Nach und nach spürte er, wie der Wagen sich immer schwerer steuern ließ. Ein Hinterreifen war platt. Olsen schaffte es, den Wagen auf den Mittelstreifenparkplatz zu lenken. Er saß da. Und er spürte, dass etwas nicht stimmte. Er nahm diesen Geruch wahr, der leicht nach Eisen roch. Olsen griff an seine rechte Hüfte. Warm und bekannt war, was er ertastete. Blut. Der Knall ... Einer der Polizisten musste auf ihn geschossen haben. Olsen schloss den Reißverschluss seiner Daunenjacke, die ihm Elisabeth überlassen hatte. Für einen Moment hatte Olsen ihr Gesicht vor sich. Er hatte ihr versprochen, dass sie sich wiedersehen würden.
Olsen stieg aus und besah sich den Schaden. Das verbogene Metall hatte den Reifen aufgeschlitzt. Mit diesem Wagen kam er keinen Meter mehr weiter. Er nahm seinen Rucksack, stopfte den Laptop, den er sich besorgt hatte, hinein und nahm das Verbandszeug mit. Der Schmerz zog hinauf bis in die Schulter, doch Olsen konnte damit umgehen. Ohne sich etwas anmerken zu lassen, überquerte er die andere Straßenseite und hielt ein Taxi an. Er ließ sich von dem Fahrer zu einer Pension fahren, nahm ein Zimmer, zahlte bar im Voraus und zog sich ins Bad zurück.
Im Spiegel betrachtete er die neue Verletzung. Die Kugel steckte noch in seinem Körper. Olsen kümmerte sich nicht darum. Er desinfizierte die Wunde mit Alkohol, den er in einer Apotheke besorgt hatte, dann legte er sich einen Verband an und nahm Schmerzmittel. Er schaute sich dabei zu, wie er Schritt für Schritt wusste, was zu tun war. Schließlich zog er sein Shirt wieder über und setzte sich an den Laptop. Er musste herausbekommen, wo sich Clint und Linus aufhielten.
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Eine Frage, die sich Greta nicht zu stellen brauchte. Sie wusste, wo Linus war. Und Simon und Edda. Öffentliche Kameras, die Kameras in Geldautomaten, die Diebstahlsicherungen in Kaufhäusern, alles, was Daten aufnahm, konnte GENE-SYS als Quellen für die Standortbestimmung der Kinder nutzen. Sie konnten ihnen gar nicht entkommen. Aber sie waren getrennt worden. Nun war es hochinteressant, ob sie ihre Fähigkeiten nutzen würden, um einander wiederzufinden. Greta rechnete damit, dass das innerhalb der nächsten drei, vier Tage geschehen würde, wenn ihnen die neuen Reize, denen sie mit Sicherheit begegneten, stumpf und schal wurden. Edda, Simon und Linus ragten so weit aus der Masse hervor, dass sie jede Erfahrung, die sie mit der Normalität machten, der Normalität nur weiter enthob.
Greta war stolz auf die drei. Sie spürte eine so große Zuversicht in sich, dass sie ihre körperlichen Gebrechen ignorierte. Sie würde ihren Körper zwingen durchzuhalten, bis alles im Lot war. Es war, wie es sein sollte. So, wie sie es entwickelt und geplant hatte. Zusammen mit Bill. Sie war es ihm schuldig, ihre gemeinsame Vision zu einem perfekten Ende zu bringen. Dazu musste sie die Kinder im Blick behalten. Jederzeit. Greta war immer im Bild darüber, wo sie gerade waren. Wo sie hingehen würden, das wusste Greta nicht exakt für jede nächste Stunde. Doch sie war sich sicher, dass die drei von ihr Auserwählten bald wieder zu ihr finden würden. Greta konnte sich nicht vorstellen, dass Edda ihre Großmutter aufgeben würde. Edda würde mithilfe der beiden Jungen ein weiteres Mal versuchen, Marie zu befreien, daran bestand kein Zweifel. Bis dahin musste Greta Marie an den Punkt in ihrem Leben bringen, an dem sie sich an den Auftritt vor Hitler und seinen Generälen erinnerte.
Sie waren nicht viel weitergekommen. Tag und Nacht zeichnete Viktor inzwischen die Erinnerungen von Eddas Großmutter auf. Immer wieder näherten sich die Bilder dem entscheidenden Ereignis an, um dann doch wieder auf Erinnerungen aus der noch früheren Kindheit auszuweichen. Dinge, die sich offenbar zur gleichen Zeit ereignet hatten. So wie bei den Aufzeichnungen der
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