Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition)
genauso gemacht. Dennoch blieb er misstrauisch und versuchte eine Fangfrage.
„Fischer hat mir gesagt, du bist wieder im Geschäft.“
Olsen sah Clint irritiert an.
„Wieso wieder?“
Das war die Antwort, die Clint erst einmal beruhigte. Dr. Fischer schien tatsächlich Olsens Wende in ein bürgerlich moralisches Leben gelöscht zu haben.
Linus beobachtete die beiden Männer gebannt. Noch immer war er unfähig, sich zu rühren, zu reden. Es war kein Geist, den er gesehen hatte. Es war Olsen. Er war wirklich da. Aber warum würdigte er ihn keines Blickes? Er musste ihn doch wiedererkennen. Linus versuchte die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Aber sosehr er sich auch bemühte, sein Körper war nur eine bewegungslose Hülle. Seine Stimme war versiegt. Nur seinen Atem konnte er noch kontrollieren. Also stieß er beim Atmen die Luft in kurzem Rhythmus aus. Das musste Olsen doch wahrnehmen. Und tatsächlich, er schaute jetzt zu ihm. Doch da war nichts in seinem Gesicht, das zeigte, dass er ihn erkannte.
„Was ist mit dem Jungen?“, fragte er Clint.
„Exit“, sagte Clint. Auch er hatte die Teilnahmslosigkeit in Olsens Gesicht beobachtet. Im Gegensatz zu Linus hatte ihn das umso mehr überzeugt, dass Dr. Fischer ganze Arbeit geleistet hatte. „Brauche nur vorher noch ein paar Informationen von dem Kleinen.“
Olsen nickte nur. Kein Protest, keine Bedenken, weil es sich um ein Kind handelte. Linus erschreckte das. Was spielte Olsen für ein Spiel? Wer war dieser Dr. Fischer? Er wollte reden, doch er brachte nichts außer ein paar Gurgellauten hervor.
„Wird er reden?“, fragte Olsen tonlos.
„Klar.“ Clint zeigte die Spritze. „Aber noch spielt er den Helden.“
„Wenn du Hilfe brauchst ...“
„Wir müssen ihn unauffällig rausschaffen“, sagte Clint. „Er wird sich gleich wieder bewegen können.“
Olsen nickte stumm. Er fixierte Linus. Und als Clint sie einen Moment aus den Augen ließ, war es Linus, als hätte Olsen ihm zugezwinkert. Hatte er sich das nur eingebildet? Er spürte, wie er wieder ein Gefühl für seinen Körper bekam. Die Taubheit, die ihn wie in Watte eingepackt hatte, verschwand. Er spürte es zuerst in den Händen, in den Füßen. Er stand auf. Und fiel. Der Länge nach nach vorne. Bis unter die Bank ihm gegenüber. Olsen zerrte ihn wieder hervor. Aber Linus hatte da schon den Schlüssel zu dem Spind mit der Waffe erwischt. Er verbarg ihn in seiner Faust und setzte sich wieder. Er spielte, als hätte die Lähmung seine Beine noch im Griff.
„Was bist’n du für’n Schlappschwanz“, sagte Olsen und schaute grinsend zu Clint. Der aber hatte misstrauisch auf Linus geschaut und auf dessen Faust. Gerade wollte er ihn angehen, als ein älterer Mann aus der Schwimmhalle kam. Ein Innehalten. Blicke hin und her. Clint ließ die Faust von Linus nicht aus den Augen. Es dauerte, bis der Mann sich sein Shampoo geholt hatte und wieder Richtung Duschen verschwand.
„Was hast du da?“, fragte Clint und deutete auf Linus’ Faust. Er ging auf ihn zu. Linus nahm die Hand hinter den Rücken. Clint drehte sie wieder nach vorne, öffnete die Faust mit einem schmerzenden Griff. „Nummer 46, aha.“ Er nahm den Schlüssel und öffnete den Spind. Linus schaute zu Olsen. Er suchte die endgültige Bestätigung, dass er auf seiner Seite war. Aber Olsen verfolgte nur, was Clint tat. Linus war auf sich gestellt. Als Clint die Tür des Spindes aufzog, nahm Linus alle Kraft zusammen und stieß den Söldner zur Seite. Clint wankte. Linus nutzte den Moment, griff in den Spind und hielt die Waffe in der Hand. Er richtete sie auf Clint. Zitternd und verzweifelt. Clint blieb ruhig.
„Schon mal auf jemanden geschossen?“, fragte er.
„Seien Sie still!“
„Und jetzt?“, fragte Clint. „War das dein Plan? Einen Menschen zu töten?“ Als Linus schwieg, weil er nicht wusste, was er überhaupt fordern sollte, schaute Clint zu Olsen, der hinter Linus stand und nickte ihm zu. Olsen trat näher zu Linus und mit einem Griff hatte er ihm die Waffe aus der Hand genommen.
„Nein!“ Linus schrie auf. „Nein!“
Clint grinste, kam auf sie zu. Olsen aber hielt die Waffe weiter auf ihn gerichtet.
„Stehenbleiben!“
Clint begriff nicht.
„Was? Was soll das?“
„Was hat Fischer dir gesagt?“, fragte Olsen. „Dass ich wieder auf dem rechten Pfad sei?“ Er lächelte. „Er hat gelogen. Scheint, dass das Gute vielleicht doch etwas stärker ist.“ Olsen wickelte ein Handtuch, das er von einem
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