Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition)
hätte, dass Linus in Gefahr war.
„Fünf?“, fragte sie zurück. Linus nickte, aber Clint packte ihn an der Schulter.
„Fünfzehn“, sagte Clint. „Er macht gern Witze.“
„Kenn ich, hab auch so einen“, lachte die Frau. „Schön, wenn Vater und Sohn was gemeinsam unternehmen“, sagte sie noch und wies die beiden darauf hin, dass das Bad in einer guten halben Stunde schloss.
„Ich weiß“, sagte Clint und passierte mit Linus Richtung Umkleidekabinen. Erst als sie verschwunden waren, kam Olsen herein und kaufte sich ebenfalls ein Ticket. Im Gegensatz zu der Kassenfrau war ihm aufgefallen, dass Linus nicht freiwillig mit Clint gegangen war.
Clints Hand auf der Schulter ging Linus an der Reihe von Spinden vorbei. Er schaute auf die Stelle, wo Simon den Schlüssel für den Schrank versteckt hatte, in dem die Waffe lag. Linus hoffte, dass sie noch niemand gefunden hatte. Es war seine einzige Chance, sein Leben zu retten. Deshalb hatte er Clint hierher gelotst. Das war sein Plan. Noch ein paar Schritte, dann hatten sie den Spind erreicht. Linus stolperte. Er schaute unter die Bänke, die ringsum angebracht waren und bevor Clint ihn packen und hochziehen konnte, hatte er den Schlüssel erspäht. Er lag noch da, wo ihn Simon versteckt hatte. Clint aber ließ ihm nicht die Möglichkeit, danach zu greifen. Er hatte ihn schnell wieder hochgezogen. Scheiße!
„Keine Mätzchen“, sagte er und trieb ihn voran zu der Tür, die in die alte Schwimmhalle führte. Er zog sie auf. Ein Bademeister schaute sich zu ihnen um.
„Keine Straßenschuhe!“
„Jaja, schon klar. Suche nur nach meinen Kindern“, sagte Clint und schaute zu den wenigen Menschen, die sich noch im Becken tummelten. Linus suchte voll Angst die Gesichter ab. Gab es ein Mädchen, das Edda ähnlich sah?
„Ich hab’s mir gedacht“, sagte Clint. „Du versuchst mich zu verarschen.“
„Nein“, sagte Linus. „Nein! Sie haben gesagt, sie sind hier. Wir wollten uns hier treffen. Ehrlich.“ Linus hatte Angst. Er fühlte sich klein und hilflos wie in den Nächten, in denen er nicht schlafen konnte. In denen die knochigen Finger nach ihm griffen. In denen nur die Müdigkeit die Monster schließlich doch besiegte. Das war viele Jahre her. Aber jetzt war er wirklich in Gefahr und er hatte keinen Plan mehr.
Clint schob ihn durch die Umkleide zurück zum Ausgang. Linus wusste, dass es keinen Ausweg mehr gab. Die Bilder von Nemo im Todeskampf ließen sich nicht mehr vertreiben. Panik überfiel Linus. Mit einem Ruck wollte er sich aus Clints Griff lösen. Aber der alte Söldner war viel zu routiniert, als dass er damit nicht gerechnet hätte. Wie eine eiserne Kralle klammerte sich sein Griff tiefer in Linus’ Schulter. Linus spürte, wie ihm die Kräfte schwanden. Seine Beine gaben nach. Er nahm alles um ihn herum wahr, doch er war wie gelähmt. Clint platzierte ihn auf die Bank in der menschenleeren Umkleide.
„Es ist vorbei, Kleiner. Besser, du bereitest dich darauf vor. Von mir aus kannst du beten“, sagte Clint. „Du hast die Chance gehabt, ohne das hier abzutreten. Vorbei!“ Er zeigte Linus die Spritze. Linus starrte darauf. Die Lähmung erfasste auch seine Stimmbänder. Er konnte nichts sagen. Im Spind gegenüber lag die Waffe, die Simon dort verschlossen hatte. Ein böses Spiel, das sich das Schicksal für ihn ausgedacht hatte. Alles in seinem Kopf begann sich zu drehen. Auf einmal war ihm, als begänne er zu fantasieren. Plötzlich sah er hinter Clint einen Geist. Die Silhouette einer Gestalt mit deformiertem Kopf. Der verstörte Blick des Jungen verleitete Clint, sich umzudrehen. Da trat Olsen aus dem Schatten.
„Olsen!“ Clint konnte es kaum glauben, ihn hier zu sehen. „Ich glaub’s nicht.“ Er spielte alte Vertrautheit. Hatte Dr. Fischer recht gehabt? War Olsen wieder auf Kurs? Clint achtete auf jede Geste, jede Regung seines ehemaligen Kameraden.
„Clint.“
„Was machst du hier? Gerade hier?“
„Bin dir gefolgt. Dr. Fischer. Er sagte, du brauchst vielleicht Hilfe.“
„Dr. Fischer ...“
„Ja. Er sagte, dein letzter Job – da sei was schiefgelaufen.“
Clint fixierte Olsen. Er konnte keine Ironie erkennen. Wenn es so war, wie Olsen sagte, dann war der Doktor ein verdammter Zyniker. Der Job, der schiefgelaufen war, war der Mord an Olsen.
„Fischer hat meine Adresse nicht.“
„Nicht so schwer, die zu finden.“ Ehrlich berichtete Olsen, wie er Clints Adresse herausgefunden hatte. Clint nickte. Er hätte es
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