Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition)
Schallkammer entwickelt.“
Edda schaute auf das Sonnenrad und spürte, wie die Musik sie gleichzeitig forttrug. Merkwürdige Töne waren es, deren Folge einem anderen Gesetz unterlag als gewöhnliche Melodien. Als wäre es eine Musik der Zellen ihres Körpers. Edda merkte, wie sie zu träumen begann. Sie sah, wie das Rad auf dem Vorhang flirrte. Der Mann an der Orgel beobachtete Eddas Reaktion. Er lächelte zufrieden. Dann unterbrach er sein Spiel und wandte sich ihr zu.
„Perfekt! Sie werden nichts merken. Niemand wird etwas merken.“
Mit diesen Worten war Edda erwacht.
Sie hatte sich glücklich gefühlt und behütet neben dem Mann. Sie wollte in den Traum zurückkehren zu dem Großen Furioso, der große abenteuerliche Pläne hatte, der wusste, was zu tun war, der Wärme ausstrahlte und der sie liebte. Das war das überwältigende Gefühl des Traums gewesen, ein Gefühl, das Edda nur mit Marie in Verbindung brachte. Mit Linus. Und Simon. Manchmal.
„Marie“ hatte der Mann in ihrem Traum zu ihr gesagt. Edda erinnerte sich an das Gesicht, den Turban. Der Mann, von dem sie geträumt hatte, war Carl Bernikoff. Der Mann, den Edda von den Fotos auf dem Dachboden kannte und aus dem Tagebuch von Marie. Doch was Edda geträumt hatte, war in diesem Tagebuch nie erwähnt worden. Wieso dieser Traum? Gerade jetzt? Hatte Marie ihr den Traum geschickt? Was für ein lächerlicher Hoffnungsschimmer! Wie hätte das gehen sollen? Doch sie hatte diese Verbindung auch mit Linus und Simon, wieso nicht mit Marie, der sie am nächsten stand? Vielleicht kam der Traum auch aus Eddas Innerem und bedeutete, dass sie die Liebe, die sie gefühlt hatte, für sich selbst finden musste, so wie es der Guru in Indien immer gesagt und doch nur sich gemeint hatte?
Wie gern wäre Edda jetzt bei Marie gewesen. Doch Marie war gefangen. Immer wieder sah sie ihr Gesicht durch das Fenster der Tür, als sie vom Teufelsberg geflohen waren. Nur der Gedanke, sie mit Waffengewalt zu befreien, gefiel Edda nicht. Vielleicht bestand darin die Botschaft des Traums? Dass Bernikoff sich mit einem Sonnenrad gegen die Männer unter dem Hakenkreuz hatte wenden wollen und nicht mit einer Waffe. Dass es einen anderen Weg gab. Doch Hitler und seine Leute hatten gewonnen und unermessliches Leid angerichtet.
Edda stand auf und blickte hinaus auf die Straße, die immer belebter wurde, als ein Mann direkt draußen vor dem Gitter stehen blieb und in das Innere des Lokals schaute.
Instinktiv wollte Edda sich zurückziehen, als er leicht den dunklen Hut lupfte, während er Edda freundlich zunickte, bevor er seiner Wege ging. Edda rieb sich die Augen. Schlief sie noch? Edda war sich sicher, dass dies der Mann aus ihrem Traum gewesen war. Wie konnte das sein? Es musste mit den Drogen zu tun haben, die sie genommen hatte. Edda ging in die Küche und trank aus einer der Wasserflaschen. Was, wenn es nicht die Drogen gewesen waren? Was, wenn Edda tatsächlich ein Zeichen erhalten hatte und jetzt zu doof war, es zu erkennen? Edda merkte, wie sie unruhig wurde. Sie lief zurück zum Fenster und schaute hinaus. Auf dem breiten Gehsteig war niemand mehr zu sehen. Ihr Herz begann zu pochen. Vielleicht war in diesem Moment geschehen, wovon Marie immer gesprochen hatte, vielleicht war Edda in der Lage Zeichen zu erkennen und ihre Bedeutung zu erfassen, wenn sie auf ihr Innerstes hörte und ihren Träumen zu folgen begann?
„Schön, jetzt wirst du bekloppt wie deine Mutter!“, sagte eine andere Stimme in ihr.
Edda rannte aus der Einfahrt des Lokals hinaus auf die Straße und blickte in die Richtung, in die der Mann verschwunden war. Er blieb verschwunden.
Wenn sie jetzt das Richtige tat, sich darauf konzentrierte das Richtige zu tun ... Edda schloss die Augen, holte einen tiefen Atemzug, lenkte ihn in die Mitte ihres Körpers, wie Marie es sie gelehrt hatte. Dann konzentrierte sie sich auf das Gefühl, das sie im Traum gehabt hatte. Die Essenz des Traums, wie Marie es nannte. Es war ganz wichtig sich darüber klar zu werden. Es war Liebe – und eine abenteuerliche Geborgenheit.
Edda öffnete die Augen. Sie ging, ohne zu sehen oder auf etwas zu achten, was sie ablenken könnte. Doch wohin sollte sie gehen? Hinter welcher der Haustüren war der Mann verschwunden? Blickte er sie nicht dort von einem Werbeplakat herab an? Lief er nicht gerade da in die Unterführung? War es der Herr mit Hut im Taxi? Nein. Nein. Nein. Scheiße! Es war wie mit dem vertrackten Labyrinth, aus dem nur
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