Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition)
der aus einer anderen Zeit zu stammen schien, einem Paralleluniversum, in dem Verschwörung, Gewalt und Gedankenkontrolle regierten, in dem ein Menschenleben nichts zählte; und mit zwei Jungs, mit denen Edda ohne Zweifel in mentalem Kontakt stehen konnte, zu denen sie gehörte und die sie beide liebten. Vielleicht war alles andere nur ein Traum. Ein Traum in einer Schneekugel.
Scheiße! Genug jetzt! Edda durfte sich nicht wegträumen. Schon gar nicht in die Welt der Schneeflocken! Sie deutete in die Richtung, in der sich das Dach von Meyrinks Haus befinden musste, doch die im Mondlicht gleißende Decke aus schillerndem Puder ließ Edda für einen Augenblick die Orientierung verlieren. Die Gruppe stapfte weiter über das Dach, bis Edda das Haus gefunden hatte. Die Stahltür zu Meyrinks Treppenhaus war abgeschlossen.
„Sicher, dass es hier ist?“, erkundigte sich Olsen. Immer noch war er Edda unheimlich. Nie sagte er ein überflüssiges Wort. Nie machte er Small Talk. „Hat wenig Sinn, wenn wir hier oben alle Türen aufbrechen und dann die Treppenhäuser absuchen.“ Olsen setzte ein Lächeln in Eddas Richtung ab, als hätte er ihre Gedanken gelesen.
„Ganz sicher“, sagte Edda und lächelte zurück.
Olsen öffnete die Tür mit zwei Haken, so schnell, als handele es sich dabei um die Originalschlüssel. Dann schlüpften sie in das dunkle, kalte Treppenhaus, dessen Lichtspiele Edda vor wenigen Tagen noch wie verzaubert erschienen waren. Edda biss die Zähne zusammen. Sie versuchte, jene harte Entschlossenheit zu spüren, die von den Männern ausging und ihnen Sicherheit zu geben schien, als sie jetzt leise ins Treppenhaus hinabgingen, während Olsen den Rückzug sicherte und die Tür schloss. Die Jungs hatten Edda schließlich davon überzeugt, dass es sich bei Meyrink – nein, bei Bixby – nur um einen Betrüger handeln konnte. Einen, der mit GENE-SYS gemeinsame Sache machte, der sie manipulieren und in die Fänge ihrer Gegner zurückbringen wollte. Jetzt drangen sie hier bewaffnet ein. Was, wenn etwas passierte? Sah man nicht an Linus, was Gewalt mit einem Menschen machte? Und an Olsen, der sich nicht einmal mehr daran erinnerte, wen er getötet hatte und warum? War das der Weg, den das Schicksal für sie vorgesehen hatte? Oder war alles nur eine weitere Prüfung von GENE-SYS ?
„In welchem Stockwerk ist es?“, fragte Linus leise.
Edda musste sich konzentrieren, sonst würde die Sache schiefgehen. Im zweiten Stock blieb sie stehen, nickte. Sie holte tief Luft. Dann betätigte sie die alte Ziehklingel, die in der Holztäfelung befestigt war, und hörte, wie im Inneren der Wohnung die Klingel läutete. Es blieb still.
„Wenn er nicht zu Hause ist?“, flüsterte Simon.
„Ich glaube, er lebt allein“, sagte Edda.
„Wenn er da ist, weiß er, dass wir kommen“, sagte Olsen. Die Kinder schauten ihn überrascht an. „Auf dem Dach waren Antennen. Ich nehme an, von einem Überwachungssystem.“
Kaum hatte er das gesagt, war hinter der Tür jemand zu hören. Edda sah den Schatten hinter dem Spion und lächelte. Gleichzeitig spürte sie die Anspannung von Linus und Simon, die sich an die Wand gelehnt versteckt hielten. Olsen stand ebenfalls außerhalb des Blickfeldes.
Sie hörten, wie ein paar Riegel zurückgeschoben wurden. Dann öffnete sich die Tür und Meyrinks Gesicht erschien. Er lächelte, als er Edda sah. Im gleichen Moment stürmte Linus auf ihn zu, packte ihn, drückte ihn gegen die Wand und hielt ihm seinen Waffe an den Kopf.
„Absuchen. Waffen. Handy!“, befahl er. Simon durchsuchte Meyrinks Kleider. Fassungslos hielt Meyrink die Hände hoch. Mit einem solchen Angriff hatte er nicht gerechnet. Er starrte Edda an. Er wollte eine Erklärung. Dann sah er Olsen. Auch mit ihm hatte er nicht gerechnet.
„Was macht ihr? Wer ist dieser Mann?“
„Ich bin nur der Fahrer“, sagte Olsen.
„Edda!“ Meyrink versuchte zu begreifen. Noch immer hielt ihm Linus die Waffe an den Kopf. „Ich hatte gehofft, du hättest mich verstanden!“
„Ich hatte gehofft, Sie hätten mich nicht belogen“, entgegnete Edda hart.
„Das habe ich nicht!“
„Warum nennst du dich Meyrink und nicht Bixby?“, ging Linus Meyrink an. „Du hast GENE-SYS gegründet, hast deinen Tod gefaked und bist hier unter falschem Namen wieder aufgetaucht. Wir haben die Schnauze voll davon, von Leuten wie dir verarscht zu werden.“
„Ja, meine Name ist William Bixby. Und ja, ich war einer der Begründer von GENE-SYS . Und
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