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Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition)

Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition)

Titel: Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olaf Kraemer
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der Dichter sagt.“
    „Welcher Dichter?“, fragte Simon. „Du bist doch selber nicht ganz dicht.“ Er deutete auf die Kappe mit den vielen Drähten, die Linus auf dem Kopf hatte, schnappte sich die Packung Indian Spirit und zog sich auf die Terrasse zurück; auf den Teil des Bahngebäudes, den sie Terrasse nannten. Ein schmaler Sims, auf den man gelangte, wenn man im ersten Stock des abbruchreifen Bahnwärterhauses aus dem Fenster stieg. Simon schaute auf die drei Plastikblumen, mit denen Edda die „Terrasse“ geschmückt hatte. Sein Atem stieß weiße Wölkchen in die kalte Luft.
    Simon zündete sich eine der Zigaretten an, lehnte sich an die Dachschräge und paffte Kreise in den Abend. Er spürte die Minusgrade schon länger nicht mehr. Faszinierend, wie der Körper sich einstellen kann, dachte er. Er kniff die Augen zusammen, zielte und versuchte, die untergehende Sonne mit perfekten Ringen aus Rauch zu umgeben.
    „Sonnenuntergang“, grinste er bitter. „Der Untergang der Sonne.“ Simon stellte sich den Untergang der Sonne vor. Dunkelheit auf der Erde. Kälte. Chaos. Verderben. Er hatte eine seltsame Befriedigung daraus entwickelt, sich Katastrophen in allen Einzelheiten auszumalen. Simon konnte sich selbst nicht erklären, warum das so war. Es war nicht so, dass ihm das wirklich gefiel. Er schaffte es einfach nicht mehr, optimistisch zu sein. Die Wochen auf der Straße hatten seine Gedanken zusehends verdunkelt. Überall sah er nur noch das Elend hinter den Kulissen der glänzenden Metropole.
Die Verlogenheit, mit der vom „neuen Zentrum Europas“ gesprochen wurde. Und er begriff, dass er nicht helfen konnte. Niemandem. Nicht mal sich selbst. Er konnte nur zusehen, wie sich Linus und Edda mit jedem Tag näherkamen.
    „Vielleicht will ich nur mal wieder positiv überrascht werden“, dachte Simon. Aber wann war das schon passiert in seinem Leben? War es nicht immer schlimmer geworden, als er erhofft hatte? Der Tod von David, die Trennung seiner Eltern. Die schrecklichen Männer, die seinem Vater in die offenen Arme seiner Mutter folgten. Wenn das das Leben war, dann scheiß drauf!
    Simon stieß sich von der Dachschräge ab und stand nun auf der „Terrasse“, auf dem schmalen Sims. Unter ihm verlief eines der Gleise, die durch die Stadt zum neuen Hauptbahnhof führten. Simon provozierte sein Gleichgewicht. Am Boden tauchten die Schatten von Linus und Edda auf. Sie hatten das Licht eingeschaltet, das Simon mit zwei Drähten von einer nahen Signalanlage abgezapft und mit ein paar geklauten Verlängerungskabeln in das Gebäude gelegt hatte. So hatten sie neben der Wärme, die noch nicht abgeschaltet war, auch Licht in ihrem „kleinen Heim“, wie Edda es immer nannte.
    Simon hasste sie. Wie nah sich die Schatten da unten schon wieder waren. Nein. Er hasste sie nicht. Er hasste sich. Er hasste alles. Diese ganze Scheiße. Es war alles zu viel geworden. Es tat weh, sich das eingestehen zu müssen. Deshalb wünschte er sich verzweifelt eine Katastrophe herbei. Eine Flut, die alles wegspülte. Alles auf null setzte. Noch einmal von vorne. Simon hatte das Gefühl, dass er gar nichts mehr im Griff hatte. Er war nur noch Beifahrer in seinem eigenen Leben und wusste nicht einmal, wer am Steuer saß.
    „Ich hätte damals mit Bobo gehen sollen“, dachte Simon. Kaum vier Wochen war das her.
    | 2202 |
    Thorben blieb stehen. Dann zogen sich seine Mundwinkel nach oben. „Pfannkuchenalarm“, dachte er. „Seh sicher wieder aus wie ’n Smiley-Pfannkuchen.“ Er konnte einfach nicht anders: Als er an seiner Schule ankam, stand Edda vor dem Tor. Bei ihr die Jungs, doch die nahm Thorben nicht weiter wahr. Er grinste. Ja, das Schicksal meinte es gut mit ihm. Mit einer eleganten Bewegung zog er seine coole Kappe aus der Tasche und schob sie schräg auf den Kopf. Wenigstens die hatte er vor dem Blitzkrieg seiner Mutter gegen sein Thorboy-Outfit retten können. Er ging auf Edda zu. Nicht ohne sich vergewissert zu haben, dass ein paar von den Angebern aus der Zehnten zuschauten. Dann umarmte Thorben die schöne Edda, die wunderschöne Edda und hielt sie lange fest. Er genoss die Vorstellung, wie blöd seine Mitschüler jetzt schauen mussten.
    „Is gut, Thorben. Sonst wachsen wir noch zusammen“, sagte Edda, der das längst viel zu viel Nähe war.
    „Sorry!“ Thorben löste sich von ihr.
    Edda lächelte weiter und steckte ihm ein paar Geldscheine zu. „Schulden ... Wie versprochen.“
    Edda hatte mit Linus und vor

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