Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition)
antworten.
„Do you have a ticket?“, fragte er und sie nickte. „Where?“, fragte er noch.
„Montevideo“, sagte Elisabeth. Das war der Flug, der in wenigen Minuten aufgerufen werden würde.
„Good“, sagte Olsen zufrieden. Montevideo war sicher.
„Sehen wir uns ... Do we meet again?“, fragte sie vorsichtig. Olsen lächelte und nickte. Sie gab ihm einen Kuss, nahm den Koffer und ging davon. Olsen sah ihr nach. Für einen Moment war er versucht, ihr zu folgen. Aber dann zwang er sich, sich daran zu erinnern, warum er der „Behandlung“ von Dr. Fischer hatte standhalten können.
Es war die Erinnerung an Vertrauen. Für einen Moment erfüllte ihn dieses besondere und gute Gefühl. Da waren plötzlich Bilder in seinem Kopf. Von seiner Behausung in Köln. Von Timber, seinem Hund. Von der Bedrohung durch Clint. Von der ersten Begegnung mit Dr. Fischer und dessen Methode, ihn komplett wehrlos zu machen. Dann hörte Olsen sich selbst zu, wie er wehrlos alles ausplauderte, was er über Linus wusste. Ihm war plötzlich bewusst, in welche Gefahr er den Jungen gebracht hatte. Ausgerechnet den Menschen, der ihm so vorbehaltlos vertraut hatte.
Olsen spürte, dass ihn irgendetwas mit Linus verband, auch wenn er in diesem Moment nicht hätte benennen können, was es war. Es nahm seine Konzentration so vollkommen ein, dass Dr. Fischer mit dem Versuch, Olsens Konditionierung zu „rebooten“ erfolglos gewesen war. Im Gegenteil sogar: Dr. Fischers Experiment erst hatte Olsens Erinnerung an Linus und seine Empathie für ihn ausgelöst.
Er hatte Dr. Fischer durchschaut und spielte mit. Er gab sich als braver Söldner seines Herren aus und wiegte Dr. Fischer in Sicherheit. Mit dem Auftrag Elisabeth zu beseitigen machte er sich auf den Weg zum Edersee. Doch Olsen brachte Elisabeth zum Flughafen. Er wartete im Parkhaus, bis sie erwachte und weihte sie ein. Und während Elisabeth alles vorbereitete, um in Sicherheit zu kommen, fuhr Olsen zurück zu Dr. Fischer.
Dr. Fischer trank Tee. Es war fünf Uhr und wenn es überhaupt etwas gab, was Dr. Fischer an den Briten schätzte, dann war es diese tägliche Zeremonie. Er schaute der Sahne zu, wie sie eine zarte Wolke in dem goldgelben Darjeeling bildete. Dann rührte er um und schlürfte den ersten Schluck. Er war rundum mit sich zufrieden. Bis er aus dem Fenster sah. Was er nur tat, weil der Regen inzwischen so heftig gegen die Scheiben prasselte. Da sah er ihn stehen. Olsen. Wie eine Statue stand er im Park und starrte in sein Zimmer.
Dr. Fischer war verärgert. Persönliche Kontaktaufnahme war eines der absoluten Tabus. Er überlegte. Dann nahm er sein Handy und rief an. Es klingelte in Olsens Jackentasche. Das Prepaid-Handy. Olsen aber rührte sich nicht. Dr. Fischer regte das noch mehr auf. Er machte ein paar Gesten, um Olsen zu vertreiben. Für einen fernen Betrachter hätte es ausgesehen, als würde Fischer lästige Insekten verjagen wollen. Fischers Bewegungen erlahmten. Olsen schien überhaupt nichts wahrzunehmen. Der Neurologe begann sich zu wundern. War bei seiner Behandlung etwas schiefgelaufen? Hatte er zu sehr gehofft, Erfolg zu haben und irgendetwas übersehen? Dr. Fischer zog sich seinen Regemantel über, setzte seinen Pepitahut auf, nahm den Regenschirm und stiefelte aus dem Gebäude in den Park.
Als Dr. Fischer in den Park kam, war Olsen verschwunden. Ärgerlich sah sich Dr. Fischer um. Keine Spur. Besorgt schüttelte er den Kopf, wandte sich um und erstarrte. Olsen war, ohne dass Fischer es bemerkt hätte, bis auf wenige Zentimeter an ihn herangetreten. Jetzt stand er so nah vor ihm, dass er Olsens Atem spürte.
„Let’s go.“ Olsen hakte den alten Arzt unter und führte ihn von dem Gelände der Seniorenresidenz. Dr. Fischer begriff, dass die Sache aus dem Ruder zu laufen drohte. Er wollte sich losmachen. Es gelang ihm nicht. Er versuchte es über Mitleid, bettelte um seine Pillen, die er brauche. Olsen aber führte Fischer wortlos zu Elisabeths Wagen. Er zwang den alten Mann einzusteigen und fuhr los.
„Wohin?“, fragte Dr. Fischer. Und verstummte sofort wieder. Es war ihm längst klar, dass Olsen keine Auskunft geben würde. Wenn bei der Rückführung wirklich etwas schiefgegangen war, dann musste dem Arzt schnell etwas einfallen. Er konnte sich nicht konzentrieren. Der Weg, den sie fuhren, lenkte ihn ab. Er starrte aus dem Fenster. Die alten Scheibenwischer schaufelten den Herbstregen ruckelnd nach links und rechts. Dr. Fischer wurde immer
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