Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition)
kicherte es von der Rückbank.
„Ruhe auf den billigen Plätzen“, sagte Linus streng. Eddas Kichern hörte nicht auf. Irgendwann hielten es die Jungs nicht mehr aus und mussten auch lachen. Es wurde immer lauter, immer schräger. Lachkrampf.
„Warum lachen wir?“, fragte Linus mit Lachtränen in den Augen.
„Thorben“, brachte Edda von hinten hervor. Und wieder schüttelten sie sich vor Lachen.
„Wir gehen an die Presse“, entschied Edda, als sie sich wieder beruhigt und das letzte Lachen verschluckt hatte. „Gleich morgen früh.“
| 2204 |
Das Signal der drei weißen Lichter war schwächer geworden. Die Frau mit dem Kaugummi erläuterte ihrer Kollegin bei der Ablösung, wie der Tag der Kinder verlaufen war. Sie berichtete von dem Schulbesuch und von den getrennt durchgeführten S-Bahn-Fahrten. Darauf konnte sie sich keinen Reim machen. Musste sie ja auch nicht. War nicht ihr Job. Der Grund für den Schulbesuch dagegen war einfach.
„Sie haben wohl ihren kleinen dicken Freund besucht.“ Sie deutete auf den riesigen gläsernen Bildschirm. „Jetzt sind sie in einer Tiefgarage am Potsdamer Platz. Ist ihnen draußen zu kalt, nehm ich an.“ Sie lachte. „Memmen ...“, sagte sie noch, schob die Beinklammern über die Hose. Dann setzte sie den Fahrradhelm auf und ging davon.
Ihre Ablösung, die hyperkorrekte Frau, trug gerade ihren Dienstbeginn in den Computer ein, als Greta den Raum betrat. Sie kniff die Augen zusammen. Ihre Sehfähigkeit hatte sich in den letzten Monaten massiv verschlechtert. Eigentlich hätte sie längst eine neue Brille gebraucht. Aber wenn ihr körperlicher Zerfall sich so schnell fortsetzte, dann würde bereits in zwei Monaten die nächste Dioptrie fällig sein. Greta kämpfte gegen diesen Zerfall. Als sie vor gut einem Jahr ihre Diagnose bekam, hatte sie nicht glauben wollen, dass es so schnell gehen könnte. Und jetzt bemühte sie sich, ES zu ignorieren. Sie nannte ihre Krankheit „ES“, um sie nicht an sich herankommen zu lassen. Greta musste den Kopf über sich selber schütteln. Bis vor einem Jahr hätte sie niemals so irrationale Gedanken gefasst.
„Wie sieht´s aus?“, erkundigte sie sich mit leiser Stimme.
Sie erfuhr vom Tagesablauf der Kinder. Die getrennt durchgeführten S-Bahn-Fahrten irritierten auch sie. Sie ließ sich die Routen geben, die die Kinder gefahren waren. Warum hatten die drei das getan? Das hatte System. Aber was war die Absicht dahinter? Dass sie keine Lösung fand, machte sie unruhig. Sie hasste das. Normalerweise hätte sie sich so lange mit der Frage auseinandergesetzt, bis sie eine Antwort gefunden hätte. Doch jetzt wurde sie müde. Eine Folge der Medikamente, die sie einnehmen musste.
Greta gestattete sich die Müdigkeit nicht. Sie hatte noch etwas sehr Wichtiges vor. Sie nahm den Fahrstuhl hinunter in einen abgeschotteten Bereich, der in Notfällen auch als Schutzbunker genutzt werden konnte. Hier war das Schlaflabor untergebracht, in dem sich Wissenschaftler im Auftrag von GENE-SYS schon seit Längerem mit Traumforschung beschäftigten.
Vor wenigen Stunden nun war Professor Victor Gabler aus Boston eingetroffen. Greta brauchte seine Hilfe. Endlich hatte sie Marie ausfindig machen und in die Zentrale von GENE-SYS schaffen können. Von Maries Zwillingsschwester Louise wusste Greta, dass Marie entscheidende Jahre mit Carl Bernikoff verbracht hatte. Greta hoffte nun, mit Victors Hilfe an Erkenntnisse von Bernikoff zu gelangen, die ihr helfen würden, ihr Ziel von einer besseren Welt noch schneller zu erreichen. Zu ihren Lebzeiten noch, wie sie sich wünschte. Dafür war sie bereit alles zu tun.
In dem Wartebereich vor dem Zugang zum Schlaflabor warteten Victor und Louise bereits. Sie begrüßten Greta und folgten ihr zu dem Raum, in dem Marie untergebracht war.
Die Ärzte, die sie betreuten, hielten sie mit Medikamenten in einer Art Wachschlaf. Jede ihrer Körperfunktionen wurde registriert und aufgezeichnet. Jetzt hatten sie – nach Victors Vorgaben – an Hirn, Herz und vielen anderen Körperstellen Sensoren angeschlossen. Marie wirkte wie ein modernes Frankenstein-Monster kurz vor dem Erwachen.
Victor sah sich die medizinischen Protokolle der letzten Tage an. Er nickte zufrieden.
„Sie ist in guter körperlicher Verfassung“, diagnostizierte er. „Das ist wichtig. Es wird anstrengend für sie.“ Sein Akzent ließ keinen Zweifel daran, dass er schon viele Jahre in Amerika lebte.
„Es geschieht ihr doch nichts?“, fragte
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