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Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition)

Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition)

Titel: Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olaf Kraemer
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aufgegangen war. Marie war immer noch in den Fängen von GENE-SYS . Linus spürte Eddas Trauer. Ihn plagte das schlechte Gewissen, weil es sein Plan gewesen war, mit dem sie so grandios gescheitert waren. Linus zweifelte. Alles war wieder unklar, unsicher. Vor allem der Kuss. Mit Edda war es anders gewesen als mit Judith. So wenig, so gar nicht ... spektakulär. Gehörte Angst dazu, damit ein Kuss dieses Gefühl von Wärme, von Geborgenheit, von Auflösung und Neubeginn erschuf? War es die Angst vor Ablehnung, die der Kuss dann vertrieb? Linus wollte das nicht glauben. Wie konnte Angst ein Teil von Liebe sein? Es musste eine andere Erklärung geben.
    Linus ahnte den wahren Grund und versuchte den Gedanken fernzuhalten. Dass Edda ihn nicht – Nein! Es musste mit Olsens Geräten zu tun haben. Sie beeinflussten sicher noch viel mehr als das Hirn. Sicher hatte er alles ganz falsch eingestellt. Und sicher ... Linus seufzte. Er schaffte es nicht, sich zu belügen. Dann, in die Stille, machte er sein Angebot.
    „Wenn ihr doch zusagt?“ Er schaute auf seine Finger, die er fest ineinander verknotet hatte. Als wäre das der Ausdruck dafür, wie schwer es ihm fiel zu sagen, was er sagte. Was heldenhaft klingen sollte. Linus wollte verzichten. „Wenn ihr das Angebot von GENE-SYS annehmt? Kommt schon, es ist fantastisch!“ Vielleicht hatte er auf sofortigen Protest gehofft, doch Edda und Simon schwiegen. Sie schienen tatsächlich darüber nachzudenken. Ihnen kamen die Bilder in den Sinn, die ihnen die alte Frau in dem Kino vorgeführt hatte. Beste Ausbildung. Bekanntschaft, Freundschaft vielleicht mit den berühmtesten, coolsten Leuten des Planeten. Sie sollten dazugehören. Weil sie etwas Besonderes waren. Sollten eine Elite sein.
    „Mir ist zu heiß“, verabschiedete sich Linus und verließ die Sauna. Edda schaute ihm nach, sah sich zu Simon um.
    „Er spinnt“, sagte der.
    „Ja“, antwortete Edda. „Oder?“ Unsicher klang sie. Sie lehnte sich zurück. Ihr Kopf lag auf der Stufe hinter ihr. Sie sah zu der Decke der Sauna und dann zu Simon. Sein Kopf war über ihr. Jeder sah das Gesicht des anderen um 180 Grad gedreht. Simons Augen tasteten ihre Haare, ihre Augen, ihre grade Nase ab, wie ein Scanner. Er sah ihren Mund, der jetzt in ihrer Stirn zu sein schien. Er sah zu, wie er sich unsicher zu einem Halbkreis formte. „Ein Lächeln “ war das Signal, das in Simons Hirn ankam, obwohl alles auf den Kopf gedreht war.
    „Du bist schön“, hörte er sich sagen und erschrak darüber. Schön. Was redete er da für einen Scheiß! Sein Blick suchte irgendwo Halt, landete wieder auf ihrem Gesicht und musste mit ansehen, wie Edda ihm die Zunge rausstreckte. Und lachte. Aber: Sie lachte ihn nicht aus. Es war ein Reflex. Der sich bei Edda immer einstellte, wenn die Situation drohte, zu ernst zu werden. Es war ein Weg aus dem Durcheinander, das sich in ihrem Herzen einstellte.
    Wie konnte jemand von ihr sagen, sie sei schön? Hätte da nicht irgendwann einmal irgendeiner ihrer Millionen kritischer Blicke in Spiegel, in Scheiben, in Schaufenster ihr ihre Schönheit signalisieren müssen? Oder ein einziges der Fotos, die sie immer wieder von sich geschossen hatte, in der Hoffnung, von ihrer eigenen Schönheit überrascht zu werden.
    Das war alles vor der Zeit gewesen, die mit dem Camp begonnen hatte. Eine neue Zeit, ein neues Leben. Ihr altes schien Jahrhunderte entfernt. Damals hätte sie sich so gerne darauf verlassen, wie sie aussah, wie sie wirkte. Damals hatte niemand zu ihr gesagt, sie sei schön. Aber jetzt, in all dem Schlamassel, hatte Linus gesagt, dass er sie liebt, hatte sie sogar geküsst. Und hier, direkt über ihr, saß dieser schlaksige, ernste Junge mit den raspelkurzen Haaren. „Du bist schön“, hatte er gesagt und Edda konnte den Reflex nicht verhindern. Die Zunge war schon auf dem Weg nach draußen. Vorbei an den Zähnen, durch die Lippen hindurch. Sie hoffte, dass ihr Lächeln das richtige Signal geben würde. Dass das mit der Zunge nicht ernst gemeint war.
    Edda wunderte sich. Beim Kuss von Linus hatte sie ihre Zunge in der Gewalt. „Ich liebe dich“, hatte Linus gesagt und sie hatte es zugelassen, weil es sie nicht ängstigte. Er war ein attraktiver Junge und attraktive Jungs kann man küssen. Das war der Gedanke, der ihr dabei durch den Kopf gegangen war. Ohne den Alkohol, ohne diese Maschine wäre es nie dazu gekommen, dachte sie jetzt. Sie würde mit Linus darüber reden müssen. Sie wollte wissen,

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