Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition)
wie es ihm ergangen war. Aber sie traute sich nicht. Genausowenig, wie er sich traute.
„Alkohol!“, jubelte Linus. Er hatte die Tür zur Sauna aufgerissen und präsentierte, was er an der kleinen Bar des Schwimmbades gefunden hatte. Eine volle Flasche Eierlikör.
„Schmeckt wie Pudding!“ Er nahm einen Schluck, schüttelte sich. „Vom Fünfer pinkeln ... wollt ich immer schon mal! Kommt schon. Na los! Ma’ gucken, ob das Wasser wirklich blau wird!“
Erst jetzt begriff Linus, dass er störte. Es waren die Blicke, die Edda und Simon zu vermeiden suchten. Es war die übertriebene Heiterkeit, mit der Edda aufsprang und zum Schwimmbecken lief.
„War da was?“, fragte Linus.
Simon schüttelte den Kopf.
„Quatsch!“ Er ging an Linus vorbei hinaus und Linus begriff, dass er log.
„Ei, ei, ei ...“, rief Linus ihm hinterher und schwenkte die Likörflasche. Simon kam zurück und nahm einen Schluck. Er verzog das Gesicht. Sie hörten das Platschen, schauten sich an und folgten zum Schwimmbad. Im schwachen Licht sahen sie das Handtuch liegen, das Edda offensichtlich abgelegt hatte. Sie plantschte im Becken. Sie konnten sie besser hören als sehen.
„Kommt schon. Ich will die Arschbombe sehen!“, rief sie. „Aber Licht auslassen!“ Da wussten die Jungs, dass sie tatsächlich nackt war. Na, wenn das so war ... Noch zwei kräftige Schlucke Eierlikör, runter mit den Handtüchern und ab zum Beckenrand. Gerade da wurde es hell. Für den Bruchteil einer Sekunde standen Linus und Simon im Spotlight. Als draußen ein Blitz niederging und durch das gläserne Dach des Bades sein Licht hereinschickte. Edda lachte. Die Jungs sprangen ins warme Wasser.
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„Sie lassen es sich gut gehen“, sagte die Frau vor dem gläsernen Bildschirm, als Greta zurück zu ihr kam. Greta schaute auf die dreidimensionale Darstellung der Stadt. Die drei Signale meldeten sich aus dem Schwimmbad. Greta lächelte.
„Lassen wir ihnen noch ein wenig ihren Spaß“, sagte sie gnädig. Und fragte nach Alarmvorrichtungen des Hallenbades. Die kauende Mitarbeiterin rief über die Baupläne des Bades in Sekundenschnelle auch die Schaltpläne der Elektrik in diesem Gebäude auf.
„Kein spezielles Alarmsystem“, stellte sie fest. „Nebenan ist ein Handyladen mit Alarm, bringt aber nichts, wenn wir den hochfahren.“
„Okay, dann über einen anonymen Anruf.“ Greta schaute auf ihre Uhr. „Sagen wir in einer halben Stunde.“ Damit verschwand sie wieder. Es war schlie ß lich doch ein guter Tag, der sich da dem Ende zuneigte. Es war Zeit zu Marie zu gehen, die in den letzten Stunden erstaunliche Bilder und Informationen geliefert hatte. Wie sich herausgestellt hatte, hatte Bernikoff wegen seiner indischen Staatsangehörigkeit die Erlaubnis erhalten, Marie privat zu unterrichten und sie so zu einer Trägerin der Bernikoff’schen Lehre gemacht. Jede seiner Theorien erörterte er zunächst mit seiner Tochter; überlegte, wie er sie in ihren gemeinsamen Auftritt integrieren und auf die Persönlichkeit des Großen Furioso übertragen konnte. Hypnose, Verwandlung von Objekten und Telepathie waren die Höhepunkte seiner Schau. Doch in Wirklichkeit versuchte er, als Magier die Menschen über das Unbewusste zu erreichen. Auf die gleiche Weise, davon war Bernikoff überzeugt, erreichten und manipulierten auch Hitler und seine Leute das Volk. Indem sie die tiefsten Wünsche und Ängste der Menschen ansprachen. Vieler Menschen. Der meisten.
Eine, vielleicht die entscheidende Episode im Leben Maries und Bernikoffs entzog sich Greta und Victor immer wieder von Neuem. Es ging um den Abend ihres Auftritts vor Hitler und seinen Generälen.
Hatte Bernikoff als der Große Furioso wirklich eine Begegnung mit den führenden Köpfen des Dritten Reichs oder sogar mit Adolf Hitler gehabt, wie die Erinnerungen Maries besagten? Und falls ja, was war damals passiert? In den Geschichtsbüchern, den Zeitungen und den Archiven gab es keinen Hinweis darauf, dass die Erinnerungsbilder Maries tatsächliche Ereignisse abbildeten. Wenn es keine Erinnerungen an historische Tatsachen wären, die Victors Technik abbildete, dann wären sie schlicht und ergreifend wertlos für das, was Greta damit vorhatte.
Die Stimmung während der Sitzungen war in den letzten Tagen immer eisiger geworden. Victor hatte Marie auf Gretas Geheiß an den Rand der körperlichen Erschöpfung gebracht, um herauszufinden, wie die Geschichte weiterging oder ob sie wahr war. Auch jetzt, als
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