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Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition)

Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition)

Titel: Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olaf Kraemer
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einen Satz, fasste das Tier am Nacken und biss zu.
    „Ey!“ rief eine Stimme. „Ey wach auf! Scheiße, nee! Die Alte ratzt was weg!“
    Edda öffnete die Augen und starrte benommen auf das fremde Mädchen, dessen Gesicht einen Zentimeter von ihrem entfernt war und das gerade versuchte, ihr eine Socke in den Mund zu stopfen. Von einer Sekunde zur nächsten war Edda wach und schlug mit der Hand nach dem Kopf des Mädchens, doch sie erwischte nur die Haare. Verzweifelt versuchte Edda, sich zu erinnern, wo sie war. Das stärkende Gefühl aus dem Traum war noch bei ihr – aber der Berg, das Tal und der offene Himmel waren verschwunden. Stattdessen befand sie sich in einem Raum mit zwei Betten und einem Tisch, zwei Schränken und diesem – Mädchen. Sechzehn oder siebzehn. Dunkles langes Haar und ein schmales Gesicht mit großen Augen, die Edda an ein Mädchen aus einem Manga-Heft erinnerten, das sie gelesen hatte.
    Die Fremde setzte sich auf ihr Bett an der gegenüberliegenden Wand und starrte Edda an.
    „Wenn du mich noch mal anfasst, kriegst du eine geklatscht“, sagte sie trotzig.
    Edda merkte, dass ihr schneller Reflex dem Mädchen imponiert hatte und ließ sich stöhnend zurück aufs Bett fallen. Das Betäubungsmittel wirkte nach und zog sie unweigerlich in die Tiefe. Zurück in den Traum, in eine Welt, wo sie stark und entschieden und ohne Zweifel gehandelt hatte. Edda wollte sich diese Kraft bewahren.
    „Und tu hier bloß nich so, als wärst du´n Hund oder was. ’nen echten Hirni riech ich auf tausend Meter. Und DU bist keiner. Hundert Pro.“
    Sie zündete sich eine Zigarette an und der Rauch holte Edda endgültig aus ihrem Traum zurück.
    „Bin ich noch im Heim?“, fragte sie mit kratziger Stimme.
    „Denkst’n du? Im Adlon?“
    Edda atmete tief durch und versuchte aufzustehen. Ihre Beine waren schwach und fast verlor sie das Gleichgewicht, als sie zum Fenster ging, um es zu öffnen. Hinter dem Fenster waren Gitterstäbe.
    „In der Klapse. Weil du einen auf Werwolf gemacht hast.“
    In der Stimme des Mädchens klang Anerkennung.
    „Scheiße“, sagte Edda. „Und du ... Weshalb bist du hier?“
    „Ich bin Lucy Lawless“, sagte die Fremde, als würde das alles erklären.
    Edda musste lachen. Was für ein genialer Name! Ihr fiel ein, wie gern sie einmal Raphaela Hillside hatte heißen wollen, aber nie hätte sie den Mut gehabt sich so vorzustellen. Edda beschloss Lucy Lawless zu mögen.
    „Sind wir eingesperrt?“, fragte Edda.
    Lucy schüttelt den Kopf.
    „Auf´n Gang kannst du raus. Aber die Station ist geschlossen.“
    Sie warf die Kippe durch die Gitter in den Hof und Edda sah, dass Lucys linker Arm tätowiert war. Feine lange Linien, die sich von ihrer Hand her den Arm hinaufschlängelten.
    „Wie geil“, sagte Edda bewundernd.
    Lucy nickt stolz und schob den Ärmel ihres T-Shirts höher, damit Edda das Tattoo bewundern konnte. Die Nesselfäden einer großen Qualle wanden sich Lucys Arm hinauf und endeten auf ihrer Schulter.
    „Hast du auch eins?“
    Edda schüttelte den Kopf.
    „Hab mir aber schon ein Design gemacht.“
    „Was´n?“, fragte Lucy interessiert.
    „’nen Wolf, der heult. Nur sein Schatten so und darüber der Mond. Hier auf der Schulter ...“
    „Ja, macht total Sinn“, lachte Lucy.
    „Wie lange bist du schon hier?“, erkundigte Edda sich.
    „In der Klapse oder im Heim?“
    „Im Heim.“
    „Ich check hier immer mal wieder ein, wenn es mir draußen zu hektisch wird.“ Lucy versuchte, so beiläufig wie möglich zu klingen. Edda wusste, dass hinter dem harmlosen Satz eine längere Geschichte stecken musste, und sie war sich sicher, dass Lucy sie bald mit ihr teilen würde. Edda ließ sich rückwärts auf ihr Bett fallen und zog die Füße hoch, doch bevor sie Lucy noch etwas fragen konnte, öffnete sich die Tür und die Psychologin betrat zusammen mit einem Pfleger das Zimmer.
    „Ach, unser Wolfsmädchen kann ja doch sprechen.“
    Edda warf einen schnellen, feindseligen Blick zu Lucy. An ihrer Reaktion erkannte sie, dass sie nicht mit den beiden Erwachsenen unter einer Decke steckte.
    „Sie haben recht“, sagte Edda vertraulich. „Ich hab ein bisschen übertrieben. Wissen Sie, Sublimierung der schweren Ereignisse, die mich in letzter Zeit geplagt haben. Das steckt man ja in meinem Alter nicht so einfach weg. Aber ich kann Ihnen versichern, dass es sich um einen rein spielerischen Auftritt von meiner Seite gehandelt hat. Nichts ... Pathologisches, falls Sie das

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