ABATON: Im Bann der Freiheit (German Edition)
mit ihm zusammen nur weitere Verfolgung und Gefahr ihr Leben bestimmen würden. Nein! Plötzlich rannte sie los.
Simon lief ihr nach und holte sie schließlich ein.
„Wo willst du denn hin?“
„Weg! Weg von diesen Geschichten, von diesen Scheißverschwörungen. Vom Tod. Von dir!“
„Von mir? Aber ...“
Edda sah ihn an und wusste, dass sie gerade gelogen hatte. Doch irgendetwas in ihr wollte, dass sie ihm gerade jetzt wehtat. Auch wenn sie wusste, wie weh sie sich selber damit tun würde. Sie hatte keine Wahl. Der Schmerz über Linus’ Tod war zu groß.
„Ich will ein einfaches, kleines Leben leben, Simon. Ich will nichts Besonderes mehr sein. Ich will nur ein bisschen verdammtes Glück. Ich will leben. Ich will lieben.“
„Aber ...“
„Und ich will ficken ... Ja!“ Sie hatte keine andere Chance, als immer lauter und drastischer zu werden, um ihre eigene Angst vor der Trennung von Simon zu überwinden.
„Ich will eine Menge Männer ficken. Und dann will ich wissen, wer von ihnen der Richtige ist! Und ich will wissen, wie das Leben riecht und schmeckt. Ich will darin versinken. Ich ...“
Sie sah ihn an. Dann gab sie ihm einen Kuss und rannte davon. Simon starrte ihr hinterher. Er sah, dass vor einem nahen Hotel ein Taxi parkte.
Edda sprang hinein und fuhr davon.
Simon konnte nicht erkennen, ob sie sich noch einmal nach ihm umgedreht hatte. Er hörte Schritte hinter sich und spürte, wie eine Hand sich auf seine Schulter legte.
„Lass ihr Zeit“, sagte Olsen. „Sie wird es sich anders überlegen.“
„Woher wollen Sie das wissen?“, fuhr Simon Olsen an.
„Sie ist eine Kriegerin. Sie passt nicht mehr in ihre alte Welt“, sagte Olsen ruhig und sicher.
Simon konnte nicht widersprechen. Er hörte Olsen zu, der Simon dafür begeistern wollte, mit ihm zu gehen, den Kampf noch einmal aufzunehmen. Doch der Abschied von Edda, das Verschwinden von Sudden, die Flucht von der Plattform und die Tatsache, dass er endlich wieder an Land war, in der normalen Welt, ließen ihn Olsens Vorschlag abschmettern. Am Ende sagte er Olsen nur kurz, dass er andere Pläne habe. Dann war Simon gegangen. Ohne Ziel. Ohne Plan.
Wohin?
Simon hatte keine Ahnung.
Er wollte nur noch weg. Und er rannte. Weg von allem, was geschehen war. Weg von Edda. Von Sudden. Jeder andere Ort war gut. War besser. Darauf vertraute Simon. Seine Schritte folgten einem inneren Weg. Sein Atmen folgte dem Rhythmus seiner Schritte, und der Schlag seines Herzens pochte dazu. Simon hörte nur auf dieses Schlagen. Ja, er lebte. Und Linus war tot. Er hatte seinem Leben ein Ende gesetzt. War es wirklich deshalb, weil er in seinem Körper gefangen war? Simon fühlte sich genauso gelähmt. Er konnte sich bewegen, aber all das Gute, das ihm in den letzten Monaten widerfahren war, hatte sich in kürzester Zeit in nichts aufgelöst. „Auserwählt“ ... „Elite“ ... „Die Welt retten“. Was war ihm davon geblieben? Man hatte ihn am Abenteuer, an der Liebe, am Leben schnuppern lassen wie an einem Köder. Und dann war die Falle zugeschnappt und er hatte alles wieder verloren. Hatte nichts mehr. Nur die Erinnerung. Und die Sehnsucht.
Was also war besser geworden in seinem Leben? Er hatte Linus kennengelernt. Edda. Sudden ... Ja. Und was war geblieben? Nur Schmerz.
Simons Lungen brannten. Aber noch gab er nicht auf. Er musste weiter. Nach und nach verfiel er in den Rhythmus, der ihn früher schon immer getragen hatte. Schritt für Schritt. Ohne nachzudenken. Einfach nur laufen. Nur sein. Alles Unnütze aus den Gedanken löschen. Schritt für Schritt voran. Kein Weglaufen. Nein, ein Sich-Entfernen von den Problemen. Bis man sie alle im Blick haben konnte und erkannte, dass sie so gewaltig nicht waren. Simon dachte an Edda, an Sudden, und plötzlich wusste er, dass er noch einen weiten Weg vor sich hatte.
Von Westen zogen schwarze Wolken heran.
In der Ferne zuckten erste Blitze zur Erde. Wintergewitter. Was für ein seltenes Schauspiel. Unwillkürlich blieb er stehen, um zu sehen, wie erbarmungslos und schnell das Unwetter immer größere Teile des Himmels eroberte. Simon begriff, dass er weitermusste. Doch er konnte nicht mehr. Erst jetzt spürte er, dass seine Beine schwer geworden waren. Sein Hals trocken. Da stand er, irgendwo an einer norddeutschen Landstraße, und rang nach Luft. Donner brach in die Stille. Erste Tropfen fielen. Kalt und hart, als zielten sie nach ihm. Simon sah sich nach einem Unterstand um. Weit und breit war keiner
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