ABATON: Im Bann der Freiheit (German Edition)
hätte sich ein Wellblechdach auf das Wasser gelegt.
Stumm vertäute Olsen Bixbys Boot. Zurrte alle Seile noch einmal nach. Dann sah er auf. Edda und Simon waren immer noch mit Sudden an Bord unschlüssig, was zu tun war. Stumm und reglos standen sie dort, als wüssten sie, was als Nächstes geschehen würde, und als könnten sie nicht noch einen weiteren Schlag hinnehmen.
Olsen ging seinen schweren Gang zu ihnen und überbrachte ihnen die Nachricht von Linus’ Tod. Er schaute auf Edda, doch dann, von einer auf die andere Sekunde, zog es Simon alle Kraft aus dem Körper. Er brach zusammen. Olsen konnte ihn gerade noch auffangen und hinlegen. Sudden kümmerte sich um ihn, legte seine Beine hoch. Wandweiß war sein Gesicht. Auch für Edda war die Nachricht zu schlimm. Alles in ihr weigerte sich, sie zu glauben.
Wut stieg in ihr auf. Dann schlug sie zu. Traf Olsen. Schimpfte, fluchte. Schrie.
„Warum? Warum ...? Warum haben Sie nicht richtig auf ihn aufgepasst?!“
Verzweifelt schlug sie weiter auf den alten Söldner ein, und Olsen nahm die Schläge stoisch hin, als hätte er sie verdient. Für all das, was er Menschen angetan hatte. Und dafür, dass er Linus nicht hatte retten können. Edda hatte recht. Er hatte jeden Schmerz verdient, der ihn jetzt traf. Allmählich verebbte Eddas Kraft. Und ihre Arme blieben auf Olsens Schultern liegen. Sie war außer Atem, warf ihren Kopf an die Schulter des Söldners und weinte. Darauf war Olsen nicht gefasst. Eddas Nähe, ihre Trauer trafen ihn mehr als die Schläge. Zaghaft legte er die Arme um Edda, wollte sie halten. Aber Sudden hatte die Hilflosigkeit von Olsen erkannt und nahm ihm Edda ab, gerade als er eine ihm unbekannte Wärme und Geborgenheit empfand. Sudden führte Edda zu Simon. Sie wusste, dass sie in diesem Moment zueinander gehörten, und Edda war dankbar. Dann richtete sich Simon auf und nahm Edda in die Arme.
„Ich hab ihn doch getroffen. Im Traum ... Er war da. Er klang gut. Er hat noch Witze gemacht ... ‚Kitsch-Bitch‘ hat er mich genannt.“
Simon hielt Edda fest. Es tat beiden so gut, einander zu haben. In ihrer fassungslosen und ehrlichen Trauer ergaben sie sich ihrem Schmerz. Simon wollte jetzt nicht stark sein, nicht beherrscht. Er wollte mit Edda um Linus weinen. Um ihren besten Freund. Und er begriff, dass er Edda immer noch liebte.
Sie wussten nicht, wie lange sie da so innig gestanden hatten, doch als Simon wieder aufsah, war Sudden verschwunden. Er schaute sich nach ihr um. Auf dem Boot. Auf dem Steg. Doch Sudden blieb unauffindbar als hätte der Erdboden sie verschluckt. Schließlich setzte sich Olsen zu ihnen und erzählte, wie Linus gestorben war. Dass er seinem Leben selber ein Ende gesetzt hatte. Und Olsen warb darum, dass sie alle das akzeptieren sollten. Es war Linus’ freie Entscheidung gewesen, diesem eingesperrten Leben, das ihm drohte, zu entkommen. Und wer weiß, wenn Edda nach Linus’ Tod mit ihm verbunden war ... vielleicht war er ja noch da. Nur nicht mehr sichtbar.
Olsen spürte, dass er Edda und Simon damit einen kleinen Trost bereitete. Er machte ihnen klar, was er an Bord schon Sudden erläutert hatte: Den Überfall und die Morde auf See der Polizei zu melden, war nicht anzuraten. Noch hatten sie die Chance, dass Birdsdale und die anderen Söldner glaubten, sie seien mit untergegangen. Olsen wollte auf diese Chance setzen. Die Polizei würde sie nicht schützen können. Nicht vor diesen mächtigen Leuten. Das wusste er. Da konnte sich dieses Land tausendmal parlamentarische Demokratie nennen und die Trennung von Staat und Justiz beteuern. Im Fall von solchen Anschuldigungen wäre eine Einweisung in die Psychiatrie noch das kleinste Übel, mit dem Edda und Simon würden rechnen müssen.
„Aaaahhhhh!“ Edda sprang auf und hielt sich die Ohren zu.
Doch Olsen berichtete weiter, was er aus seinen Beobachtungen in Berlin, den Gesprächen mit Bixby und Birdsdales Erläuterungen geschlossen hatte. Dass gene-sys Vergangenheit war und andere das Ruder übernommen hatten, die weit gefährlicher waren als Greta und die versucht hatten, sie alle zu töten. Olsen wollte weiterkämpfen.
„Wir müssen hinter die Machenschaften dieser neuen Herren von gene-sys kommen und sie schlagen, bevor es zu spät ist!“, beschwor Olsen die zwei.
Edda schrie auf. Sie konnte das alles nicht mehr hören. Wieder nur Tod und Angriff und dunkle Mächte! So gut sich die Nähe zu Simon eben noch angefühlt hatte, so klar war ihr plötzlich, dass
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