ABATON: Im Bann der Freiheit (German Edition)
Simon die Motoren anwerfen wollte. „Nicht!“, rief er. „Sie könnten uns hören.“
Olsen vertraute auf die Strömung, die sie von den wartenden Schnellbooten weg hinaus auf die offene See treiben würde. Also hatte er die Halteseile gelöst und langsam warteten sie unter Deck, dass sich die Jacht unbemerkt entfernen würde.
Auf der Plattform hatten die Söldner inzwischen ganze Arbeit geleistet. Mit ihren Tasern hatten sie die Rebellen kampfunfähig gemacht und ins Wasser geworfen. Niemand würde das bei diesen Temperaturen überleben. Und sollte man sie finden, würde man „Ertrinken“ als Todesursache feststellen. Sollten die Untersuchungen sogar noch weiter gehen, würde man den Zusammenbruch von Plattform 1 als Ursache für die Tragödie identifizieren. Birdsdale war zufrieden.
Dann aber verglichen sie die Zahl der Opfer mit der Zahl, die Adriano angegeben hatte. Es fehlten drei Personen.
Birdsdale ging in den geschmückten Saal. Die Discokugel drehte sich noch und warf ihre bunten Facetten auf die schwarzen Mörder.
„Kann mal einer diese Scheißkugel anhalten!“, fluchte Birdsdale, während sie auf Adriano zuging. Der hockte auf einem Barhocker an einem der Stehtische und kippte seinen zigten Schnaps.
„Das war nicht abgesprochen ... das war Mord!“ Er kämpfte mit den Tränen. Über die Toten. Über sich. Über seinen Verrat. „Achtundvierzig Morde!“
„Fünfundvierzig“, sagte Birdsdale. „Drei sind entkommen. Wenn das stimmt, was Sie uns gesagt haben.“
Adriano verstummte. Er begriff nicht.
„Wir haben nur fünfundvierzig gezählt. Wo sind die drei anderen? Wer sind sie?“
„Ich ... ich weiß nicht. Es waren achtundvierzig ... außer mir.“ Adriano war sich jetzt nicht mehr so ganz sicher. Er hätte nicht trinken sollen. Hatte er sich verzählt? Nein. Er wollte keinen Zweifel aufkommen lassen. Er dachte an das viele Geld, das ihm jetzt zustand. Eine Million.
„Nein. Achtundvierzig . Ganz sicher!“, sagte er. „Sie haben sich versteckt. Ja ... sie müssen sich versteckt haben.“
„Wir haben alles durchsucht“, entgegnete Birdsdale.
Sie war sich sicher, dass der Fehler nicht bei ihr oder ihren Leuten lag. Das waren alle Profis. Der einzige Amateur in diesem Spiel war Adriano. Also zwang sie ihn, sich das Überwachungsvideo von der Plattform anzuschauen, auf dem die Aktion zu sehen war. Birdsdale hatte für Komplikationen exakt fünfundvierzig Minuten eingeplant. Die galt es jetzt zu nutzen, damit sie rechtzeitig vor dem Morgengrauen zurück in Portsmouth sein konnten.
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Hinter ihnen im Meer lag nur noch eine Ahnung der eisernen Inseln. Doch das Massaker hatte sich tief in ihre Köpfe eingebrannt. Sie schwiegen, als Olsen endlich die Motoren der Yacht anließ und Kurs Ost-Süd-Ost eingab. Sudden zitterte am ganzen Leib. Genauso wie Simon und Edda konnte sie nicht begreifen, mit welcher Gleichgültigkeit diese Männer das Leben ihrer Freunde ausgelöscht hatten. Das Leben von Gopal. Von Schifter. Bixby ... Menschen, die für das Gute eingetreten waren. Die an das Gute geglaubt hatten. Mit ihrem Tod hatte das Böse triumphiert und ihnen all ihren Glauben genommen.
Edda saß wie versteinert. Sie fand keine Erklärung für das Geschehene. Nur Zweifel. Zweifel an sich selbst. Hätte sie sofort alle warnen müssen, nachdem sie das sich nahende Unheil gespürt hatte? Wie hatte sie die Warnungen überhaupt empfangen? Hatte Linus sie kontaktiert? Wie hätte er wissen können, was hier geschah? Und warum hatte er sich dann nicht zu erkennen gegeben? Hatte sie wertvolle Zeit verschenkt, weil sie sich in ihrer Kabine mit den » Trinkteufeln « eingeschlossen hatte?
Keiner von ihnen fand ein Wort des Trostes oder des Begreifens. Durch die Luke starrte Edda hinauf zum Steuerstand. Reglos blickte Olsen aufs Meer. Edda folgte seinem Blick und sah, wie sich ein kleiner silberner Streifen Licht am Horizont zeigte. Was für ein Hohn, dachte Edda.
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Adriano hing mit dem Kopf über der Spüle und übergab sich. Er hatte die Aufnahmen nicht ausgehalten und darum gefleht, nicht alles ansehen zu müssen. Doch Birdsdale blieb gnadenlos. Auch jetzt schleppte sie ihn wieder vor den kleinen Video-Player und ließ die letzten Minuten laufen. Längst war Adriano klar, dass er viel zu viel wusste, um als Zeuge überleben zu können. Er schaute Birdsdale an und versuchte dann, aus dieser Erkenntnis einen letzten Vorteil zu schlagen.
„Ich weiß, wer fehlt“, sagte er. „Aber ich
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