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ABATON: Im Bann der Freiheit (German Edition)

ABATON: Im Bann der Freiheit (German Edition)

Titel: ABATON: Im Bann der Freiheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Jeltsch
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sagte Simon. „Er ist nicht hier ...“

    Als sie den Friedhof verließen, blieben zwei kleine Schneemänner auf Linus’ Grab zurück. Da sie keine Blumen und keine ewigen Lichter gehabt hatten, waren Edda und Simon auf die Idee gekommen, sich selber im Schnee zurückzulassen. Am Grab des Freundes.

[3310]
    Dunkelheit lag über den Fluten, die die rostigen Metallruinen umspülten. Immer noch stiegen Zahnbürsten, Schuhe, Ausweispapiere und leere Flaschen aus der Tiefe, als wollten sie Zeugnis ablegen von dem, was hier auf See geschehen war. Doch es gab niemanden mehr, den diese Dinge interessiert hätten. Die Menschen, die auf den Plattformen gelebt hatten, waren tot. Und dennoch hatte es jemanden hierher verschlagen, spürte eine körperlose Energie an diesem trostlosen Ort den Schmerz und die Verzweiflung der Sterbenden und die Gegenwart der anderen Wesen, die hier im eiskalten Wasser ihre Körper verloren hatten. Diese Energie wusste, dass sie Linus gewesen war. Der Freund von Simon und Edda. Doch dieser Linus empfand weder Trauer noch Mitleid, sondern nur grenzenlose Liebe für die Toten und ihr Schicksal und für den ewigen Kreislauf, in den sie wieder eingetreten waren und der größer und rätselhafter war als alles, was sie als Menschen je würden verstehen können. Warum konnte er sich an einen Ort seiner Wahl begeben? Einen Ort der realen Welt, die er doch verlassen hatte. War er eine Seele? Oder nur ein ruheloser Geist, verdammt dazu, in alle Ewigkeit über die Erde zu streifen, weil er Selbstmord begangen hatte? Hatte er eine Aufgabe oder ein Ziel, von dem er nichts wusste? Warum sonst konnte er seinen Weg im Jenseits selber bestimmen? War das hier überhaupt das Jenseits? Linus sah die Fische und ihre unendliche Vielfalt. Er sah die Vögel am Himmel und die Schönheit ihres Fluges. Er sah die Flora des Meeres, sah die Menschen in ihrem tragischen Kampf ums Überleben. Er sah das Gute und das Böse. Und er war all das. Linus wunderte sich über seine Fragen. Sie waren nicht mehr wichtig, waren Vergangenheit. Er brauchte auch die Antworten nicht; sie hatten genauso keine Bedeutung mehr.
    War er zu Gott geworden?
    „Es werde Licht“, sagte er leise.
    Doch es blieb dunkel, und die schwarzen Wasser bewegten sich so, wie sie sich immer bewegt hatten, seitdem die Erde erschaffen worden war.
    Ob Edda und Simon auch zu den Toten gehörten?
    Obwohl Linus Körper und Bewusstsein verloren hatte, wusste er, dass er ein Signal von Edda und Simon empfangen hatte. Und nur weil er seine Aufmerksamkeit auf dieses Signal gerichtet hatte, war er hier an diesen Ort mitten in der Nordsee gelangt. Das Signal war nun erloschen.
    War es überhaupt wichtig, ob Simon und Edda tot waren? Sollte es so sein, waren sie von einem Zustand in einen anderen gewechselt – wie es mit allem geschah, was sichtbar war. Alles auf dieser Erde war Schwingung und Energie – mal dichter und mal durchlässiger. Linus hielt inne: Diese Erde, ja selbst dieser dunkle Ozean mit seinen unzähligen bizarren Kreaturen, die sich gegenseitig jagten und fraßen, war das Schönste, was er je gesehen hatte. Alles war miteinander verbunden. Alles hing voneinander ab und beeinflusste sich. Bis hinein in die kleinsten molekularen Strukturen und die feinsten Frequenzen strebte es nach der nächsthöheren Stufe des Daseins. Alles war Bewusstsein und alles war möglich – ohne dass die meisten Lebenden auch nur die geringste Ahnung davon hatten.
    In diesem Augenblick der Erkenntnis war Linus froh darüber, gestorben zu sein. Nicht mehr gefangen im Körper eines fünfzehnjährigen Jungen, der sich nicht bewegen konnte.
    Linus spürte die Energien einiger Toter. Sie waren noch in der Nähe, doch suchte niemand den Kontakt mit ihm. Vermutlich hatten sie noch gar nicht begriffen, was mit ihnen geschehen war, wer oder was sie nun waren, dachte Linus. Dann spürte er, wie auf einmal eine gesammelte Präsenz in seinem Umfeld auftauchte.
    Ein Wesen, das ihm ähnlich war.
    Linus erkannte nicht sofort, wer der Fremde war, doch dann spürte er, dass keine Gefahr von seiner Gegenwart ausging.
    „Wer bist du?“, fragte Linus.
    „Du kennst mich“, war die Antwort. „Ich bin Schifter. Ich habe über euch gewacht, seit ihr in dem Camp aufgetaucht wart, und dir habe ich damals in dem S-Bahn-Tunnel in Berlin das Leben gerettet.“
    Für einen Augenblick war Linus verblüfft.
    „Du warst das ... Als die S-Bahn auf mich zukam ... Ich habe mich immer gefragt, wie das wohl

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