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Abaton

Abaton

Titel: Abaton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Jeltsch
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war. Dass es zu spät sein würde, um zu entkommen. Bewegungslos verharrte das kleine Tier in seiner Position und die dunkle Kraft legte sich genau darüber. Es gab keinen Zweifel daran, dass der Schatten das kleine Tier gesehen hatte, dass er wegen ihm gekommen war. Das Fell des Tieres wurde stumpf vor Angst. Es begann zu zittern, es konnte sich nicht mehr kleiner machen. Der Boden der Mulde hinderte es daran. Edda empfand wie dieses Tier. In ihr war die Angst, die Resignation. Sie wollte sich ihrem Schicksal ergeben in der Hoffnung, die Gefahr und die Angst mögen vorübergehen. Doch der Schatten blieb und drohte das Tier, drohte Edda zu erdrücken. Nein! Nicht der Schatten, sondern die Angst und der Wunsch, sich noch kleiner zu machen, nahm ihr alle Luft. Und als sie kaum noch atmen konnte, da hob sie für den Bruchteil eines Augenblicks seinen Blick, um ihrem Henker in die Augen zu schauen und vielleicht einen Funken Gnade darin zu entdecken. Sie schaute hinauf in die Dunkelheit und fragte, was der Schatten von ihr wolle.
    Der Schatten antwortete nicht, aber Edda merkte, wie die Dunkelheit sich in diesem Augenblick etwas lichtete, die dunkle Kraft ein wenig schwächer wurde und die Angst ein wenig schwand.
    Sie konnte Luft holen.
    Das Tier wollte seinen Kopf wieder senken, in der Hoffnung, der Schatten würde weiterziehen. Doch Edda verstand mit einem Mal, was der Schatten wollte.
    Sie zwang das Tier, seinen Blick zu heben und schaute mit ihm in den Himmel hinauf und sie sahen die Sonne und die Wolken. Und der Schatten zog weiter und für einen Augenblick spürten sie den Seewind, der den Schweiß trocknete und den Geruch der Angst mit sich nahm. Bis es keinen Schatten mehr gab. Auch keinen Gedanken mehr an den Schatten. Nur einen großen, schönen Albatros, der hoch am Himmel seine Kreise zog und dessen Flug die Sonne manchmal verdunkelte.
    Das Tier sprang aus der Mulde und Edda erwachte.
    [ 1211 ]
    „Ziel erfasst!“ Tonlos meldete Clint die Information über sein Handy. „Peilung für Operation »Ex-Punkt-Eins« eingerichtet, Sender aufgeladen und bereit!“
    Die Meldung ging in Berlin, in der Einsatzzentrale von gene-sys ein. Dort hatte die Frau den Stadtplan von Köln auf dem riesigen Display aufgerufen. Sie hatte den Standort des Söldners markiert.
    Er befand sich auf einem Kirchturm. Von dort hatte Clint freien Blick zum Pfarrhaus gegenüber. Und vor allem konnte er in Linus’ Zimmer bis auf das Bett des Jungen schauen. Das Fenster stand offen.
    Clint hatte sich Zeit gelassen. Es gab auch keinen Grund zur Eile. Er hatte beschlossen, sich zuerst Linus vorzunehmen. Dann war Simon an der Reihe und zum Schluss wollte er nach Cuxhaven fahren, um Edda zu „behandeln“. Er war jetzt allein unterwegs. Nach der Operation in Berlin war das seine Bedingung gewesen, bevor er den Auftrag annahm. Er arbeitete am liebsten allein. Er wusste genau, dass er sich nur auf sich selbst absolut verlassen konnte. Er hasste es, abhängig von anderen zu sein.
    Die Zeit des Abendgottesdienstes hatte er genutzt, um das Pfarrhaus zu erkunden. Hier war das Ziel. Von hier aus musste er seinen späteren Operationspunkt bestimmen.
    Clint hatte gewartet, bis schließlich auch Linus das Haus verlassen hatte, und war dann wie ein normaler Spaziergänger die Straße hinaufgeschlendert. Auf Höhe des Pfarrhauses hatte er sich umgesehen, den Radfahrer passieren lassen und war dann blitzschnell über den Zaun in den Garten des Hauses gesprungen.
    Clint brauchte freien Blick für seine Operation. Also war er über das Arbeitszimmer in das Haus eingedrungen. Schön, wenn Menschen wie dieser Rob und diese Helga ihr Gottvertrauen auch lebten und keine Sicherheitsschlösser an Fenstern und Türen anbringen ließen. So etwas erleichterte ihm die Arbeit enorm.
    Dann ging Clint durch das Haus. Auf der Suche nach Linus’ Zimmer schaute er in jedes Zimmer, bis er unter dem Dach den Raum betrat, der sofort als Jungenzimmer zu identifizieren war. Überall lagen Klamotten herum, Computerhefte, Pommesschachteln. Eine lebensgroße Büste von Chuck Norris ... Clint schüttelte den Kopf angesichts des Chaos’. So etwas war ihm ein Graus. Er mochte es ordentlich und übersichtlich. Klare Verhältnisse, dachte er und lächelte. Im Grunde war es ja auch sein Job, für klare Verhältnisse zu sorgen.
    Er kniete sich vors Bett, brachte seinen Kopf auf die Höhe des Kopfkissens und sah aus dem Fenster. Sein Blick fiel in direkter Linie auf den Kirchturm

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