Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Abaton

Abaton

Titel: Abaton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Jeltsch
Vom Netzwerk:
nachzudenken, warum seine Zielpersonen taten, was sie taten. Er hatte erkannt, dass ihn derlei Gedanken nur von seiner Aufgabe ablenkten. Also wartete er. Irgendwann würde der Junge schon ins Bett gehen. Er würde einschlafen und dann würde Clint seine Aufgabe erledigen. Dann würde er sein Equipment wieder einpacken und nach Mannheim fahren, um sich dem zweiten Jungen zu widmen.
    [ 1214 ]
    Linus rief mit seinem Handy Tariks Nummer an. Es meldete sich dessen Mailbox. Linus legte wieder auf, ohne eine Nachricht zu hinterlassen. Er brauchte jetzt Hilfe. Oder einen guten Plan. Eine Idee ... Denk nach, Linus! Denk logisch! Einen Gedanken nach dem anderen. Wenn sie hinter ihm her waren, dann wären sie bescheuert, in dem Haus auf ihn zu lauern, in dem eine Familie lebte. Wenn sie nicht im Haus auf ihn lauerten, warum die Spuren am Fenster?
    Überblick verschaffen! Linus erinnerte sich an die Übungen, die er mit Tarik durchexerziert hatte. Es ging immer darum, sich einen Überblick über die Gegebenheiten zu verschaffen, bevor man mit der Aktion startete. „Mach dich mit deinem Operationsgebiet vertraut und du kennst die Schwäche deines Feindes!“, hatte Tarik ihm eingebläut. Linus ging in die Hocke. Wenn er recht hatte und sie sich nur einen Überblick verschafft hatten, dann waren sie auch wieder verschwunden. Also suchte er und fand, wonach er suchte. Am Rand des Beetes waren Stiefelabdrücke, die vom Haus wegführten.
    Linus atmete durch. Sie waren also nicht im Haus. Wenn sie aber die Gegebenheiten nun kannten, wenn sie wussten, wo er steckte, dann war er jetzt unter Beobachtung. Mit Sicherheit. Linus schaute kurz auf und zwang sich dann, sich nicht umzusehen. Wenn sie ihn im Visier hatten, sollten sie nicht merken, dass er Bescheid wusste. Für einen Moment dachte er über den Begriff nach. „Im Visier“ ... wollten sie ihn töten? Wer waren „sie“ überhaupt?
    Nicht abschweifen, Linus! Er zwang sich weiterzudenken. Er würde sonst durchdrehen. Die Angst würde ihn beherrschen. Die Angst um sein Leben. Er musste handeln. Als Allererstes musste er seinen heimlichen Beobachtern eine Erklärung für sein seltsam zögerliches Verhalten hier im Garten des Pfarrhauses liefern.
    [ 1215 ]
    Clint grinste erleichtert. Endlich begriff er, was mit dem Jungen los war. Er war betrunken. So wie der wankte – und jetzt kotzte er auch noch in die Rabatten! Kein Wunder, dass er dem Pfarrer nicht unter die Augen treten wollte.
    In aller Ruhe verfolgte Clint dann durch das Fernrohr der Waffe, wie Linus mühsam über die Rankhilfe in sein Zimmer kletterte. Dabei hielt er Linus’ Kopf im Fadenkreuz.
    Aus alter Gewohnheit ahmte er dabei ab und zu den Klang eines schallgedämpften Schusses nach.
    [ 1216 ]
    Linus schwang sich durch das Fenster und blieb versteckt unterhalb des Fensterbrettes hocken. Er verharrte im Dunkel seines Zimmers. Wenn sie ihn wirklich hätten erledigen wollen, dann hätten sie in Berlin eine Menge besserer Gelegenheiten gehabt. Sie trachteten ihm nicht nach dem Leben. Linus fand das jetzt logisch. Und vor allem beruhigend. Aber die Ungewissheit ließ ihn nicht zur Ruhe kommen. Was wollten sie?
    Wenn sie ihn beobachteten, dann wäre es das Beste, sie in der Annahme zu lassen, dass er nun schlafen ginge. Linus erhob sich und wankte zum Bett. Er war sich sicher, dass die möglichen Beobachter mit Nachtsichtgeräten ausgestattet waren. Also musste er weiter eine möglichst perfekte Vorstellung geben. Und das ihm, der sich vor jeder Schulaufführung erfolgreich gedrückt hatte! Angefangen von der »Vogelhochzeit« im Kindergarten bis hin zu »Hair« zum Ende des letzten Schuljahres.
    Linus spielte, so gut er konnte, den Betrunkenen und kroch dann unter seine Decke.
    [ 1217 ]
    Auf diesen Moment hatte Clint gewartet. Er sah zu der Box hinunter, pegelte die Anzeige hoch und fixierte den Zeiger, als er vor dem roten Bereich anhielt. Dann wartete er einen kurzen Moment, ob sich an der Anzeige noch etwas veränderte. Das war nicht der Fall. Zufrieden wandte sich der Söldner wieder der Waffe zu. Er blickte noch einmal durch das Fernrohr. Das Fadenkreuz lag exakt auf dem Kopf, der jetzt aus der Decke herausschaute. Clint wartete, ob sich Linus noch regte. Als er überzeugt war, dass der Junge schlief, setzte der Söldner seinen olivgrünen Peltor-Gehörschutz auf. Dann zielte er. Kurz strahlte der blaue Lichtkegel auf und erfasste das Bett von Linus gegenüber. Clint arretierte die Waffe, schaltete die CD ein,

Weitere Kostenlose Bücher