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Abaton

Abaton

Titel: Abaton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Jeltsch
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legte den Zeigefinger um den Abzug der Waffe und drückte ab.
    Kurz und sirrend pulste ein Geräusch auf, als torkele eine Mücke auf Ecstasy durch die Nacht. Dann war es still. Clint hielt den Abzug gedrückt und schaute auf die Uhr. 15 Minuten, dann war sein Auftrag hier erfüllt. Er schaute noch einmal durch das Fernrohr. Linus bewegte sich nicht. Gut so ...
    [ 1218 ]
    Linus konnte sich im Bett gar nicht bewegen, denn er befand sich zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr darin. Er war mit der Chuck-Norris-Büste unter die Bettdecke gekrochen und hatte sie so weit hochgeschoben, bis Chucks Kopf auf dem Kopfkissen lag. Dann war Linus auf allen vieren zur Tür geschlichen und auf den Flur hinausgeschlüpft. Anschließend war er durchs Küchenfenster, das auf der Rückseite des Hauses lag, abgehauen und zur nächsten U-Bahn-Station geeilt.
    Jetzt saß Linus in einem Wagen der U-Bahn-Linie zu seiner alten Wohnung.Er hatte nichts mitgenommen außer seinem I-Phone. Um sich abzulenken, rief er die Fotodatei auf und landete prompt bei dem Foto von dem Stiefelabdruck. War das wirklich der gleiche Stiefel wie im Beet des Pfarrhauses? Hatte er sich vielleicht nur zum Affen gemacht? Er wusste, dass er darin einiges Talent hatte. Wenn es irgendwo eine wilde Verschwörungstheorie zur Erklärung eines gewissen Ereignisses gab, war Linus der Erste, der es glaubte. Die einfachen Erklärungen waren ihm einfach zu einfach.
    Vielleicht hatte Rob ja doch recht und es war mal wieder ein Reflex bei ihm: Er fürchtete sich so sehr davor, um seine Eltern zu trauern oder gar zu glauben, dass sie ihn einfach zurückgelassen hatten, dass sein Unterbewusstsein jede Möglichkeit nutzte, um von seiner Trauer abzulenken ...
    Scheiß-Hirnklempner! Linus wollte keine Analyse, er konnte sich nicht belügen. Er wollte ... Wusste er, was er wollte? Linus starrte gebannt auf sein I-Phone. Ohne sich dessen bewusst zu sein, hatte er den Fotofilm gestartet. Doch! Er wusste es! Er wollte einfach nur, dass alles so war, wie es war, als es gut war ...
    Jetzt war er allein unterwegs, hatte niemanden, dem er sich anvertrauen konnte. Man war ihm auf den Fersen. Er sprang auf ...
    Hell kroch schon die Sonne über die Bäume des Stadtwaldes, als Linus aus dem Untergrund der U-Bahn-Station Melaten auftauchte. Die Luft war noch kühl. Doch die Sonne schrie bereits nach kurzen Hosen. Linus rannte die Aachener Straße entlang nach Hause. Er hatte eingekauft; Croissants und Mohnbrötchen und Röggelchen. Sein Vater aß morgens schon gerne einen »halven Hahn« – in Köln die Umschreibung eines Roggenbrötchens mit altem Gouda. Darauf schmierte er sich Orangenmarmelade. Seine Mutter war mit einem Croissant und Kaffee zufrieden.
    Linus hatte an all das gedacht. Der Bürgersteig war noch leer zu dieser frühen Stunde, gehörte ihm allein. Auch auf der Straße war noch kein Auto zu sehen. Seltsam. Linus nahm keine Notiz davon, sondern eilte zielstrebig über den Hinterhof des Gebäudes. Das Sonnenlicht, das sich in den Scheiben der Gewächshäuser dort spiegelte, blendete ihn. Egal, er kannte ja den Weg auswendig. Er stieß die alte Haustür auf und atmete tief ein. Wie vertraut ihm diese Geruchsmischung aus feuchtem Keller, billigem Bohnerwachs und dem großzügig versprühten »Old Spice« von Hausmeister Kurbjuhn doch war.
    Linus hetzte die Stufen hoch bis in den dritten Stock.
    Vor der Wohnungstür blieb er stehen und stach mit dem schon auf der Treppe gezückten Schlüssel zu. Mit einer einzigen Bewegung direkt ins Schloss. Kein Fummeln, kein Suchen. Für Linus war das eine Art Ritual. Wenn es geschmeidig gelang, würde der Rest des Tages auch gut werden. Und es gelang ihm. Der Schlüssel passte. Sein Herz hüpfte vor Freude. Er schloss auf, schlüpfte schnell hinein. Zweite Tür rechts befand sich die Küche. Die Sonne schien herein und jetzt im Herbst konnte man durch die schon kahlen Bäume das Glitzern des Aachener Weihers sehen.
    Er hatte die Kaffeemaschine eingeschaltet, die emsig vor sich hin tröpfelte. Linus drapierte alles, was er eingekauft hatte, auf dem Tisch, stellte drei Teller und Tassen hin. Blumen noch? Hatte er vergessen, verdammt. Er sah sich um und platzierte den Schnittlauchtopf in die Mitte des Tisches. Da ging die Tür zum Schlafzimmer auf. Linus hörte die verwunderten Stimmen eines Mannes und einer Frau. Sie kamen aus dem Flur und traten in die Küche. Wie angewurzelt blieben sie stehen. Fassungslos.
    „Linus, wo warst du so

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