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Abaton

Abaton

Titel: Abaton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Jeltsch
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gegenüber. Sehr gut. Vorsichtig hob der Söldner die Matratze des Bettes hoch, fand einen zerfledderten »Playboy«, ignorierte ihn und befestigte am Kopf- und am Fußende des Bettes jeweils einen kleinen Metallchip. Dann arrangierte er das Bettzeug wieder so, wie er es vorgefunden hatte, und verschwand, ohne auch nur eine einzige Spur zu hinterlassen.
    Jetzt hockte er auf dem nächtlichen Kirchturm und wartete. Neben sich hatte er das wie eine Waffe anmutende Gerät mit der handlichen Parabolantenne auf einem Stativ befestigt. Ein Kabel führte zu einer Metallbox, an der diverse Lämpchen blinkten. Eine Anzeige neben einem Regler leuchtete grün in die Nacht. Die Box hatte der Söldner mit dem Stromanschluss im Glockenturm verbunden. Auf so weite Distanz funktionierte der Strom aus den Akkus nicht mehr zuverlässig. Er öffnete eine schmale CD-Tasche und nahm eine der drei CDs heraus. »Linus« stand darauf geschrieben. Er legte sie in das Laufwerk der blinkenden Box ...
    Clint spähte durch das Fernrohr, in das ein Nachtsichtgerät eingebaut war. Das Fadenkreuz war exakt auf das Kopfkissen von Linus’ Bett ausgerichtet. Dann schwenkte es weg. Der Söldner beobachtete das Pfarrhaus. Hinter den Fenstern brannte Licht. Der Pfarrer saß in seinem Arbeitszimmer am Schreibtisch. Seine Frau hatte die Zwillinge gebadet und brachte sie gerade in ihr Zimmer im ersten Stock. Für die Kinder war es Zeit, ins Bett zu gehen. Die Mutter hockte sich mit den Kleinen auf eines der Betten und begann, mit ihnen zu beten.
    Clint interessierte das alles nicht. Diese Menschen gehörten nicht zu seinem Auftrag. Der, dem seine Operation galt, war noch nicht zu sehen.
    Dann aber kam eine Gestalt die Straße herauf. Clint nahm sie mit seinem Nachtsichtfernglas ins Visier. Linus ...
    „Zielperson erfasst“, sagte er in sein Handy, nachdem er die Nummer in Berlin gewählt hatte. „Operation »Ex-Punkt-Eins« aktiv.“ Ohne eine Reaktion aus Berlin abzuwarten, legte er auf.
    Deswegen hörte er auch nicht, wie die Frau aus der Zentrale zu ihm sagte: „Halten Sie unbedingt die Frequenz ein!“
    „Arschloch!“, schickte die Frau ihm noch hinterher.
    Der Söldner verfolgte aus der Vogelperspektive, wie Linus sich dem Pfarrhaus näherte, wie er durch den Garten zum Fenster des Arbeitszimmers schlich. Wie er innehielt, gerade als er mit den Händen zu der Rankhilfe des Blauregens greifen wollte, um daran hochzuklettern.
    [ 1212 ]
    Der Stiefelabdruck! Linus erstarrte. Das Licht aus dem Arbeitszimmer von Rob fiel durch das bodentiefe Fenster bis auf das Beet. Linus konnte ganz deutlich den Stiefelabdruck erkennen. Es war der gleiche Abdruck, den er auch im Sand vor seinem Zelt im Berliner Camp entdeckt hatte. Linus spürte, wie sich sein Puls beschleunigte. In seinem Kopf hämmerte es. Er schaute hinauf zu seinem Zimmer. Das Fenster stand noch offen. Er hatte es offen gelassen, um jederzeit unbemerkt hineinschlüpfen zu können. Über die Rankhilfe an der Außenwand war er schon einige Male von nächtlichen Ausflügen zurückgekehrt. Doch nun hatte er diese Spuren entdeckt.
    Sie waren hier!
    Mit einem Schlag war Linus’ Entscheidung, ein neues Leben zu beginnen, über den Haufen geworfen. Die Ausflüchte, warum man ihn und Edda und Simon in Berlin verfolgt hatte, die Erklärung der Campleiterin, warum sie ihn heimlich gefilmt hatte, die Nacht in der Disco am Teufelsberg, die seltsame Veränderung der anderen Kinder ... Linus war sich in diesem Moment sicher wie nie, dass er einem gigantischen Lügengebäude aufgesessen war und dass dieses Konstrukt gerade mit einem Schlag zusammenbrach. Linus war wütend. Er hätte seinem Bauch vertrauen sollen. Sie hatten ihn verfolgt. Und sie waren ihm auch jetzt noch auf den Fersen. Es musste mit seiner Suche nach seinen Eltern zu tun haben. Einen anderen Grund konnte es nicht geben.
    Linus zwang sich, ruhig zu bleiben. Er musste schnell überlegen, musste entscheiden, was zu tun war. Waren sie im Haus? Waren sie über sein Zimmer eingestiegen? Lauerten sie ihm auf? Linus spürte, wie er sich plötzlich Sorgen um seine Pflegefamilie machte. Rob, Helga, die Zwillinge; sie hatten absolut nichts mit all dem zu tun. Er musste sie raushalten aus der ganzen Geschichte. Aber wie?
    [ 1213 ]
    Was machte der da? Clint wunderte sich. Warum verharrte Linus vor dem Fenster des Pfarrers? Er konnte es sich nicht erklären. Aber das war auch nicht seine Aufgabe. Der Söldner hatte sich längst abgewöhnt, darüber

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