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Abbau Ost

Titel: Abbau Ost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olaf Baale
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Schritte«, von »Annäherung durch Wandel« und einer »Koalition der Vernunft«. Man begegnete sich mit staatsmännischer
     Ehrerbietung, man ging sich um den Bart, es gab Schmeicheleien der eitelsten Art und Tränen der Rührung, es gab wodkaduselige
     Nächte und einfühlsame »Stasi-Miezen«, man pflegte persönliche Kontakte, man sprach dieselbe Sprache und entdeckte Sympathien
     füreinander. Langsam und fast unmerklich festigte sich die Vorstellung von zwei dauerhaft existierenden deutschen Staaten.
     Rein menschlich lässt sich das nachvollziehen, doch die Bundesrepublik begriff sich nach wie vor noch als einziger deutscher,
     für alle Deutschen in Ost und West zuständiger Staat, der sich wegen der deutschen Teilung überhaupt nur eine vorläufige Verfassung,
     das Grundgesetz, gegeben hatte. Dieses Grundgesetz sollte bis zur »Vollendung der Einheit und Freiheit für das gesamte deutsche
     Volk« gelten und, wie es im Artikel 146 hieß, seine Gültigkeit an dem Tage verlieren, »an dem eine Verfassung in Kraft tritt,
     die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.« Nach westdeutschem Selbstverständnis war die Bundesrepublik
     Deutschland nur eine vorübergehende, aus den widrigen Umständen der deutschen Teilung entsprungene Notlösung. Die |233| ständige Bereitschaft zur Wiedervereinigung war ein Grundpfeiler der westdeutschen Staatsgründung.
    Das Grundgesetz hatte sich Ende der 80er Jahre längst überlebt, ohne dass die Bundesrepublik für sich eine neue Selbstbestimmung
     vorgenommen hatte. Vor allem zwei Sichtweisen bestimmten die Wahrnehmung. Die eine, von Jahr zu Jahr schwächer werdende und
     immer verbissener wirkende Seite meinte, die DDR werde schon bald zusammenbrechen, es sei nur eine Frage der Zeit, dann werde
     sich das Problem von allein erledigen. Die andere, ständig an Einfluss gewinnende Seite war überzeugt, die Verhältnisse in
     Ostdeutschland seien von Dauer, wenn auch auf einem bedauernswert niedrigen wirtschaftlichen Niveau. Die Anhänger beider Positionen
     hatten jeweils auf ihre Weise mit dem Thema Wiedervereinigung abgeschlossen. Keine Seite erkannte einen aktuellen Handlungsbedarf.

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Der talentierte Michail Sergejewitsch Gorbatschow
    In den 80er Jahren war die Sowjetunion stark mit sich selbst beschäftigt. Die Russen waren an sich bescheidene Menschen und
     schon mit wenig zufrieden, doch die sozialistische Planwirtschaft stellte ihre Leidensfähigkeit auf eine harte Probe. Zu allen
     wirtschaftlichen und innenpolitischen Schwierigkeiten kamen auch noch die Probleme mit den Ostblockstaaten, deren wirtschaftliches
     Überleben von preisgünstigen Energielieferungen aus der Sowjetunion abhing. Noch bis Anfang der 80er Jahre pumpte die Sowjetunion
     mindestens 40 Prozent ihres Erdöls in den Ostblock und das weit unter Weltmarktpreisen. Die Abhängigkeit, in die Moskau die
     Ostblockstaaten gedrängt hatte und von der die Russen anfangs profitierten, wurde zunehmend lästig. Nach außen wirkte die
     Sowjetunion immer omnipotent. Doch wer, wie viele DDR-Bürger, aus beruflichen Gründen in die »kalte Heimat« reisen musste
     und dabei von den offiziell ausgeschilderten Touristenpfaden abkam und in verbotene Zonen gelangte, konnte nur den Kopf schütteln
     über das, was er dort zu sehen bekam. In der |234| UdSSR herrschten archaische Zustände, das Sowjetreich war eine totale Absage an arbeitsteilige Prozesse und das gesamte moderne
     Industriezeitalter. Es war nur eine Frage der Zeit, bis derartige Zustände die innenpolitische Stabilität erschüttern mussten.
    Der letzte sowjetische Parteichef mit der gewohnt langen Amtszeit war Leonid Iljitsch Breschnew. Nach 18 Jahren als Generalsekretär
     der Kommunistischen Partei verstarb er am 10. November 1982 im Alter von 75 Jahren. In den letzten Jahren, nach mehreren Schlaganfällen
     und Herzinfarkten, war Breschnew nicht nur körperlich, sondern auch geistig nicht mehr auf der Höhe. Mit Juri Wladimirowitsch
     Andropow einigte sich die Kommunistische Partei auf einen 68 Jahre alten, ebenfalls gesundheitlich angeschlagenen Nachfolger,
     der schon nach fünfzehn Monaten verstarb. Andropow verabschiedete ein Maßnahmenpaket gegen den Alkoholismus. Fortan musste,
     wer am Arbeitsplatz trank, strenge Strafen fürchten. Der Verkauf von Alkohol vor 14.00 Uhr wurde verboten. Die Maßnahmen scheiterten
     an der allzu nachlässigen Umsetzung. Auch Andropows Nachfolger war lediglich eine

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