Abbau Ost
Nationalität auf völlig autonomen, insgesamt 2 500 Quadratkilometer umfassenden Militärarealen. Ein Gebiet, mehr
als zweieinhalbmal so groß wie die Insel Rügen, war dem Einfluss der DDR entzogen. Die tatsächliche Truppenstärke und Bewaffnung
blieb in all den Jahrzehnten ein gut gehütetes Geheimnis. Die Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland galt als
sogenannte Erste Strategische Staffel. Es handelte sich um die militärisch stärkste und zugleich am besten ausgerüstete Kräftegruppierung
außerhalb der Sowjetunion. Jede der auf deutschem Boden stationierten Armeen verfügte über Trägersysteme für nukleare Sprengköpfe.
Dazu gehörten jeweils eine mit den Kurzstreckenraketen SS 21 ausgerüstete Raketenbrigade und eine weitere mit den für mittlere
Reichweiten ausgelegten SCUD-Raketen. Des Weiteren verfügten die sowjetischen Truppen in der DDR den offiziellen Zahlen zufolge
über 4 116 Kampfpanzer, 7 948 gepanzerte Fahrzeuge, 3578 größere Artilleriesysteme einschließlich |237| 667 000 Tonnen Munition, 623 Flugzeuge und 615 Hubschrauber. Die Sowjetunion zahlte einen hohen Preis für ihre fünf, in der
DDR stationierten Armeen. Dabei bürdete Moskau der ostdeutschen Bevölkerung einen großen Teil der Besatzungskosten auf. Der
in Berlin lebende Wirtschaftshistoriker und Publizist Rainer Karlsch hat sich umfassend mit dem Thema Besatzungs und Stationierungskosten
auseinandergesetzt. Seine hoch brisanten Studien sind 1999 erschienen und verbergen sich in den Materialien der Enquete-Kommission:
›Überwindung der Folgen der SED-Diktatur im Prozess der deutschen Einheit‹, in: Bd. III/1, ›Wirtschaftliche Belastungen durch
bewaffnete Organe‹, S. 1500 bis 1585. Danach beliefen sich die Besatzungskosten zwischen 1945 und 1953 in der sowjetischen
Besatzungszone und später in der DDR auf etwa 2 Milliarden Mark jährlich und unterschieden sich zunächst im Pro-Kopf-Vergleich
nicht wesentlich von den Aufwendungen, die von der Bevölkerung in den westlichen Besatzungszonen aufgebracht werden mussten.
Ab 1954 verringerten sich die Besatzungskosten offiziell auf rund 1,6 Milliarden Mark jährlich. Im Juni 1956 wurde sogar vereinbart,
die Kosten zunächst zu halbieren und später gänzlich abzuschaffen. Zwar schloss die Sowjetunion 1957 mit der DDR ein Stationierungsabkommen,
das die Besatzungszeit offiziell beendete. Finanzielle Erleichterungen brachte dies allerdings nicht. Tatsächlich musste die
DDR sogar höhere Kosten übernehmen, 1957 beispielsweise 3 Milliarden Mark. Selbst in den Jahren von 1980 bis 1989 musste die
ostdeutsche Bevölkerung einen erheblichen Teil ihrer Arbeitsleistung zur Unterhaltung des sowjetischen Militärs aufbringen.
Nach den Recherchen des Wirtschaftshistorikers Rainer Karlsch beliefen sich die Besatzungskosten im letzten knappen Jahrzehnt
der DDR auf insgesamt 12 Milliarden Mark und lagen im Pro-Kopf-Vergleich mit der Bundesrepublik inzwischen viermal so hoch.
[ Menü ]
|238| Ökonomische Betrachtungen zu Mauer und Stacheldraht
Keine sehr schöne Lösung, aber tausendmal besser als Krieg.
US-Präsident John F. Kennedy über den Bau der Berliner Mauer
Wir waren uns bewusst, wie schmerzlich die Entscheidung in den
fünfziger und sechziger Jahren war, die Teilung Deutschlands hinzunehmen
, damit die eine Hälfte dem Westen angehören kann. Ich
bin nicht sicher, ob die Generation, die nicht wie wir diese Erfahrung
besitzt, den gleichen Blick auf die Dinge hat.
Henry Kissinger, früherer amerikanischer Außenminister zur Wiedervereinigung, in: Der Spiegel, Nr. 41/2005
Neben den wirtschaftlichen Belastungen durch das sowjetische Militär trug die DDR-Bevölkerung auch die Kosten für die innerdeutschen
Grenzbefestigungen. Die Ostdeutschen zahlten dafür, dass sie sich selbst einsperrten und gegenseitig bewachten. Die Dimension
dieser Bauwerke weckt, gemessen an dem kleinen Volk der Ostdeutschen, Assoziationen zur Chinesischen Mauer. Die gesamte europäische
Nachkriegsordnung stand und fiel mit der sogenannten Demarkationslinie. Dabei ließ es sich westlich des Eisernen Vorhangs
wunderbar über das internationale Kräftegleichgewicht räsonieren. Die Rechnung bezahlte die DDR-Bevölkerung. Allein von 1961
bis 1964 verschlangen Aufbau und Betrieb der innerdeutschen Grenze insgesamt 1,822 Milliarden Mark. Davon entfielen gut 400
Millionen Mark auf die Berliner Mauer. (Zur Relation: Der Bau eines 100
Weitere Kostenlose Bücher