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Abbau Ost

Titel: Abbau Ost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olaf Baale
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Gottes.
    Volkmar von Obstfelder sagte, für den Abriss der alten Gebäude und für die Neubauten seien insgesamt 8,3 Millionen Euro aufgewendet
     worden, ein Gutteil davon Fördermittel. Vor der neuen Bebauung gab es Ausgrabungen durch das Amt für Denkmalpflege, dessen
     Mitarbeiter im Altstadtquartier 54 auf Spuren einer Jahrhunderte zurückreichenden gewerblichen Nutzung stießen. Zuletzt firmierte
     auf dem Gelände die VEB Fleischwirtschaft, die aus der Mecklenburgischen Wurst- und Fleischkonservenfabrik Buggisch hervorgegangen
     war. Die Firma Buggisch, damals »die Nummer eins am Platze«, war ein bis Kriegsende deutschlandweit bekanntes Unternehmen,
     das die gesamte Wehrmacht mit Fleischkonserven belieferte. Nach dem Abbruch waren auf dem 6000 Quadratmeter großen Gelände
     außer dem Pflegeheim »St. Martin« noch 28 Seniorenwohnungen, weitere vier Wohneinheiten von 35 bis 130 Quadratmetern Größe,
     eine Arztpraxis, zwei Ladenlokale und eine Tiefgarage für 83 Stellplätze entstanden. Die TLG Immobilien tritt zugleich als
     Eigentümer, Bauherr und Vermieter auf. Das Heim betreibt die Diakonie, die Tiefgarage wird an die Stadt vermietet. Doch dabei
     soll es nicht bleiben. |127| Volkmar von Obstfelder sicherte weitere Investitionen in Mecklenburg-Vorpommern zu. Der Konzern, nach eigenen Aussagen »eines
     der führenden Immobilienunternehmen in Ostdeutschland«, wollte innerhalb von nur vier Jahren insgesamt 800 Millionen Euro
     in eigene Immobilien investieren und sein »Portfolio um interessante und rentable Ankäufe ergänzen«. Gedacht war dabei an
     »rund 1500 Immobilien in den Wachstumsregionen Ostdeutschlands«, vorrangig im Großraum Berlin, im Großraum Halle-Leipzig,
     in der Region entlang der Autobahn A4 (Dresden – Chemnitz – Erfurt – Eisenach) und an der Ostseeküste. Zur TLG, mit 500 Mitarbeitern
     in der Berliner Zentrale und den Niederlassungen in allen neuen Bundesländern, gehörten noch rund 30 Tochtergesellschaften,
     »die sich mit dem Verkauf, der Bewirtschaftung, Verwaltung, Entwicklung und Sanierung ihrer eigenen Immobilien befassen«.
    Ist das, fragte sich so mancher während der Einweihungsfeierlichkeiten für das Altenpflegeheim St. Martin, tatsächlich noch
     die Treuhand Liegenschaftsgesellschaft, jene Bundesbehörde, die Anfang der 90er zur Privatisierung volkseigener Liegenschaften
     angetreten war? »Über unsere Treuhand-Vergangenheit«, hieß es in der Pressestelle des Konzerns, »haben wir nicht mehr viele
     Informationen. Dieses Kapitel ist hier wirklich abgeschlossen.« Vor den Augen der Öffentlichkeit hatte die Behörde die wohl
     erstaunlichste Metamorphose vollzogen und sich von einer treuhänderischen Privatisierungsanstalt, deren gesetzlicher Auftrag
     darin bestand, »die unternehmerische Tätigkeit des Staates durch Privatisierung so rasch und so weit wie möglich zurückzuführen«,
     in einen Staatskonzern verwandelt, zu 100 Prozent im Eigentum des Bundes. Und dieser sagenhafte Wandel vollzog sich fast unbemerkt.
     Niemand erregte sich ernsthaft über dieses staatlich sanktionierte Gaunerstück. Nur ein einziges Mal, auf dem FIABCI Weltkongress
     am 28. Mai 2003 in Berlin, galt es, die Wogen zu glätten. Das Kürzel FIABCI steht für den Internationalen Immobilienverband,
     die Interessenorganisation von weltweit anderthalb Millionen in allen Immobilienbereichen tätigen Personen wie Maklern, Beratern,
     Anwälten, Gutachtern, Bankfachleuten, Architekten, |128| Bauunternehmern und Investoren. Sie alle interessierte brennend, wie die TLG Immobilien mit der angeblich maroden Hinterlassenschaft
     des sozialistischen Staates zu einem der großen Wettbewerber auf dem deutschen Immobilienmarkt aufsteigen konnte. TLG-Chef
     Volkmar von Obstfelder selbst hielt den zwanzigminütigen Vortrag zum Thema ›Die TLG Immobilien GmbH: Vom Treuhand-Privatisierer
     zum Immobilienbestandsunternehmen in Ostdeutschland‹. Die Rede war ihm nicht leichtgefallen, vor dem mächtigen Gremium rang
     er um die Zustimmung oder zumindest Duldung einer allen Regeln des Marktes widersprechenden Unternehmensgründung. Die Luft
     in dem Saal knisterte geradezu von all den Zweifeln der Kongressteilnehmer, und deshalb sagte Volkmar von Obstfelder die entscheidenden
     Worte schon unmittelbar nach dem Einleitungsteil: »Ich möchte sogleich eines betonen: So sehr sich die TLG Immobilien gewandelt
     hat – und Veränderung ist ja immer ein Zeichen des Lebendigen –, so sehr wir uns also

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