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Abbau Ost

Titel: Abbau Ost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olaf Baale
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erwägt.
    Damit verglichen, waren Beschäftigungsverhältnisse in den öffentlichen Verwaltungen der DDR nicht besonders attraktiv. Vor
     allem aber arbeiteten ostdeutsche Verwaltungsangestellte ohne das Eigeninteresse eines übermächtigen, ständig die eigene Bedeutung |155| rechtfertigenden Berufsstandes. Die aus heutiger Sicht unkonventionellen Verwaltungslösungen entsprachen der damaligen wirtschaftlichen
     Leistungskraft. Die DDR-Bürger konnten ihre Verwaltungen tatsächlich bezahlen, während heute ein auf Dauer nicht hinnehmbares
     Missverhältnis zwischen Steueraufkommen und Verwaltungskosten besteht. Gäbe es eine verlässliche, menschliches Handeln bestimmende
     Vernunft, so hätte sich Deutschland diesen Vorzug im Beitrittsgebiet bewahrt und sich allein auf die marktwirtschaftliche
     Umgestaltung der volkseigenen Kombinate konzentriert. Nicht ein in preußischem Verwaltungsrecht geschulter Beamter wäre dafür
     notwendig gewesen. Heute leidet nicht nur die ostdeutsche Restwirtschaft unter der Regelungswut, auch der Bürger ist frustriert
     von den ständigen bürokratischen Attacken auf seine Privatsphäre. Es ist für jeden, der das erleben durfte, eine fast wehmütige
     Erinnerung, wie unbeschwert es sich ohne die Herrschaft der Bürokraten leben ließ: niemals eine seit Monaten überfällige Steuererklärung,
     nie ein ganzer Schreibtisch voller Papierkram, keine Regalfächer voller Aktenordner mit unverständlichen Rechnungen und in
     schwülstigem Beamtendeutsch verfasstem Schriftverkehr. Die Unterlagen für den Bau eines Einfamilienhauses – einschließlich
     Versicherung und Kreditvertrag – ließen sich in eine Mappe heften, deren Umfang gerade den eines Schreibheftes für Erstklässler
     erreichte. Die Ostdeutschen lebten zu DDR-Zeiten, ohne sich dessen recht bewusst zu sein, weitgehend frei von den Zumutungen
     eines außer Kontrolle geratenen Verwaltungsapparates. Was Bürokratie wirklich bedeutet, lernten sie erst nach 1990 kennen,
     als ganze Paletten voller Gesetzestexte nach Ostdeutschland geliefert wurden und westdeutsche Beamte die Herrschaft übernahmen.

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|156| Hochsinnige Bürokraten
    Unsere Beamten werden sich nicht mehr das Heft aus der Hand
nehmen lassen, auch von parlamentarischen Mehrheiten nicht, die
wir ja meisterhaft zu behandeln wissen. Keine Herrschaft wird so
leicht ertragen, ja so dankbar empfunden, wie die Herrschaft hochsinniger
und hoch gebildeter Beamten. Der deutsche Staat ist ein
Beamtenstaat – hoffen wir, dass er in diesem Sinne ein Beamtenstaat
bleibe!
     
    Georg Friedrich Knapp, Rektor der Reichsuniversität Straßburg in seiner Präsidentenansprache am 1. Mai 1891
    Die Rückkehr des deutschen Berufsbeamtentums nach Ostdeutschland war eher unspektakulär vor sich gegangen. Die Beamten übernahmen
     sozusagen im Selbstlauf der deutschen Einigung jene Ende des Zweiten Weltkrieges an die sowjetische Besatzungsmacht verlorenen
     Verwaltungsgebiete. Kaum jemand erregte sich großartig oder stellte Fragen, niemand interessierte sich für dieses ganz besondere
     Geschenk, das die DDR mit in das wiedervereinigte Deutschland gebracht hatte: vom Beamtenstatus befreite öffentliche Verwaltungen
     und Bildungseinrichtungen. Für die ehemaligen DDR-Bürger liegt eine große Brisanz in diesem Thema. Das Wissen um die besondere
     Verantwortung des Beamtenstandes für die Teilung Deutschlands war in der DDR verloren gegangen. Aber das Interesse wird größer.
     Das Verständnis des Berufsbeamtentums ist der Schlüssel zum Verständnis der deutschen Geschichte im ausgehenden 19. und im
     20. Jahrhundert. Auch wenn Ostdeutschland oder das historische Preußen als Geburtsstätte des deutschen Berufsbeamten gilt,
     so gibt es gute Gründe, den Beamtenstand als durch und durch unpreußisch zu bezeichnen. Das Beamtentum kam vor zweieinhalb
     Jahrhunderten im Schlepptau der Französischen Revolution und der vorrevolutionären Umwälzungen nach Preußen. Friedrich II.
     imitierte französische Verwaltungsmethoden und ließ sich dabei von einem Stab mehrerer hundert, aus Frankreich angereister
     Bürokraten unterstützen. Der preußische König ernannte einen Franzosen zum Rechtspostminister und einen weiteren zum Präsidenten
     der |157| Akademie. Die anfangs noch elitäre Beamtenausbildung, zu der Männer aus allen sozialen Schichten Zugang hatten, löste die
     Verwaltungsfunktion des Landadels ab und stellte damals einen unerhörten Fortschritt dar. Doch die Freude

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