Abbau Ost
entlastete und welche immensen Kosten seitdem aus ostdeutschen Haushaltskassen aufgebracht werden müssen. Ein nicht unerheblicher
Teil der von West nach Ost fließenden Transferleistungen entfällt auf die Bezahlung Zehntausender in Westdeutschland vereidigter
und in den Osten gewechselter Beamter, die der westdeutsche Steuerzahler auch ohne die deutsche Einigung ihren Ämtern entsprechend
unterhalten hätte. In Ostdeutschland aber gehen die Gebietskörperschaften, wegen der geringen wirtschaftlichen Leistungskraft
und entsprechend niedriger Steuereinnahmen, dienstrechtliche Verpflichtungen ein, die sie sich nicht leisten können und die
sich im Übrigen auf sehr optimistische Wirtschafts- und Bevölkerungsprognosen gründen. In dünn besiedelten Regionen wie Mecklenburg-Vorpommern,
Sachsen-Anhalt und Brandenburg wird sich die Einwohnerzahl durch Abwanderung und niedrige Geburtenraten innerhalb des Dienstzeitalters
eines Beamten möglicherweise halbieren. Es gibt sogar Szenarien, die von einer Bevölkerungsschrumpfung auf ein Drittel sprechen.
Dann wird es Landes- und Kommunalbeamte in einem unaufkündbaren und durch das Grundgesetz abgesicherten Dienstrechtsverhältnis
mit Ländern und Kommunen geben, deren Verwaltungen gänzlich oder zum größten Teil überflüssig sind.
Im Hinblick auf die Dienstrechtsverhältnisse der Beamten und Arbeitsverhältnisse der Angestellten gibt es in ostdeutschen
Verwaltungen einige Besonderheiten. Während Angestellte in den |162| alten Bundesländern laut Tarifvertrag ab dem 40. Lebensjahr unkündbar sind, haben ostdeutsche Angestellte keinen vergleichbaren
Kündigungsschutz und können entlassen werden. Ostdeutschland ist, wie schon im deutschen Kaiserreich, zu einer Zweiklassenverwaltung
zurückgekehrt, und das mit Billigung der Dienstleistungsgewerkschaften und des Deutschen Bundestags, der den gesetzlichen
Rahmen für die Beamtenbesoldung vorgibt. Selbst wenn in den ostdeutschen Ländern künftig zusätzliche Alimentierungen aus Kostengründen
untersagt werden sollten, so wird die Zahl der Beamten relativ immer weiter ansteigen, nämlich in dem Maße, wie die Bevölkerung
schrumpft und öffentlichen Angestellten gekündigt wird, die Beamten aber in ihren Ämtern bleiben.
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Das Netzwerk
In Ostdeutschland bleibt der Beamtenstatus, abgesehen von den üblichen Vereidigungshochburgen wie Polizei, Justiz und Finanzverwaltung,
vor allem den Leitungsfunktionen vorbehalten. Auf niedrigen Hierarchiestufen sind mehr Angestellte, sozusagen Beschäftigte
mit einem gewöhnlichen Arbeitsvertrag zu finden und weniger Beamte, deren Status durch eine Ernennungsurkunde besiegelt wird.
So ist es in einigen Regionen Ostdeutschlands beispielsweise üblich, dass nur die Direktorin oder der Direktor einer Schule
in das Beamtenverhältnis wechseln darf, während das Lehrerpersonal im Angestelltenverhältnis unterrichten muss. Auf diese
Weise wird eine verschworene Verwaltungselite rekrutiert, die alle Fäden in den Händen hält und sich, durch den Diensteid
und gemeinsame Privilegien, dem eigenen Berufsstand verpflichtet fühlt. Die Gefahr eines solchen Netzwerkes wird unterschätzt.
Es dient in erster Linie dem Machterhalt und den Privilegien eines Berufsstandes und nicht dem Interesse des Bürgers, des
Auftraggebers öffentlicher Verwaltungen und Bildungseinrichtungen. Ihm werden Rechte und eine Kontrollfunktion vorgegaukelt,
die er angesichts eines solchen Netzwerkes unmöglich ausüben kann.
|163| Auch wenn heute bei jüngeren Beamten eine gewisse Nachdenklichkeit eingekehrt ist, so kann ihr Berufsstand niemals Teil eines
wirklich demokratischen Gemeinwesens werden. Nur eine gespaltene Persönlichkeit kann zugleich Demokrat und Beamter sein. Möglicherweise
wird sich diese junge ostdeutsche Beamtengeneration sogar zeitgemäßer Managementmethoden bedienen und die Kosten-Nutzen-Rechnung
zum obersten Verwaltungsprinzip erheben, doch Politik verkommt endgültig zur Showeinlage, und der vermeintlich freie Bürger
wird in seiner obrigkeitsstaatlichen Lektion unterwiesen.
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Der Letzte zahlt die Zeche
Der letzte Dienstherr, das weiß jeder Beamte, zahlt seine Pension. Für Tausende und schon bald Zehntausende in Westdeutschland
vereidigte und im Laufe ihres Dienstlebens ins Beitrittsgebiet gewechselte Beamte hat das zur Folge, dass ihre Ruhestandsbezüge
aus den kommunalen Haushalten und den Landeshaushalten in
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