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Abbau Ost

Titel: Abbau Ost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olaf Baale
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verfuhren wie seinerzeit die Siegermächte. Ihre Opfer waren umsonst. Ihre bewunderungswürdige Anpassungsfähigkeit
     hat sich nicht ausgezahlt. Sie sind noch immer nicht angekommen. Wieder leben sie in einer Gesellschaft, die im Niedergang
     begriffen ist. Wieder steht eine Zäsur an, wieder ein Krisenszenario, wieder ein Staat, dessen politische und wirtschaftliche
     Rahmenbedingungen grundlegender Korrekturen bedürfen. Ein ganzes Volk, das sich auf den Weg gemacht hatte, das frei war von
     jedweden Generationslasten, von Schattenhaushalten und Verpflichtungen gegenüber Millionen Beamten und öffentlichen Angestellten
     und lediglich für den heute geradezu lächerlich erscheinenden Schuldenbetrag von nicht einmal 25 Milliarden D-Mark aufkommen
     musste, ein Volk, das leistungsbereit und wohlstandshungrig war, das viele Kinder großzog und ein zukunftsfähiges Bildungssystem
     unterhielt, wurde um seinen Neuanfang betrogen. Die DDR-Bürger wollten sich von staatlicher Bevormundung befreien, sie wollten
     ein wirklich demokratisches Gemeinwesen, eine wirtschaftliche Perspektive und ein Leben in Wohlstand. Stattdessen bekamen
     sie den bürokratischsten und kostspieligsten Staat der Welt und wurden zugleich der Möglichkeiten beraubt, damit sie ihn auch
     bezahlen können.

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    |149| TEIL ZWEI
Der große Verwaltungsakt

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Wilde Kreaturen
    Mit dem Gongschlag der deutschen Einigung holten in Westdeutschland 35 000 Beamte ihre Koffer und Reisetaschen unter den Betten
     hervor. Sie packten eilig ein paar Sachen zusammen und liefen zum Auto. Es ist verbürgt, dass einige Autos, besonders die
     jüngerer Beamter, nicht sofort ansprangen. Aber irgendwie bekamen sie die alten Kisten in Gang und holten das Letzte aus ihnen
     heraus. Die Fahrt ging über die holprigen Straßen des Beitrittsgebiets. Kreuzungen und Ortschaften waren schlecht ausgeschildert.
     Ständige Staus und Abgasfahnen aus knatternden Zweitaktmotoren stellten die Geduld der Staatsdiener auf eine harte Probe.
     Aber es galt, keine Zeit zu verlieren. Letztlich waren es zumeist geografische Vorteile, die das rechtzeitige Eintreffen begünstigten.
     In Mecklenburg-Vorpommern hatten die Beamten aus Schleswig-Holstein einen kleinen Vorsprung, in Sachsen-Anhalt lag eher Niedersachsen
     ein wenig vorn, und um die Posten in den neu zu schaffenden Ministerialbürokratien Thüringens und Sachsens lieferten sich
     Staatsdiener aus den süddeutschen Ländern ein wildes Rennen.
    Die Verwaltungsfachkräfte richteten sich notdürftig an den wackeligen DDR-Schreibtischen ein und erwarteten ungeduldig das
     Eintreffen erster Personalcomputer. Derweil ließen sie sich ihren Einsatz fürstlich honorieren, kassierten die sogenannte
     Buschzulage und Trennungsgeld, profitierten von Steuervergünstigungen und klagten ansonsten über schnell steigende Mieten,
     schlechten |150| Wohnkomfort und das miserable Freizeitangebot. Nur die Aussicht auf etwas Größeres als Trennungsgeld, Buschzulage und Steuervergünstigungen
     ließ sie all die Entbehrungen ertragen. Die meisten Beamten der ersten Stunde konnten ihrer trägen Staatsdienerkarriere einen
     gehörigen Schub verleihen und in Besoldungsgruppen vorrücken, die ihnen zu Hause im Westen lange Zeit, wenn nicht gänzlich
     verwehrt geblieben wären. Es waren diese, die Gunst der Stunde nutzenden Beamten, die nahezu alle Führungsposten in den fünf
     neuen Ministerialbürokratien besetzten. Sie forcierten die Einstellung weiteren, aus dem Westen kommenden Personals, beschäftigten
     die Angestellten der DDR-Verwaltungen mit den einfacheren Arbeiten, verordneten ihnen Weiterbildungen und Qualifizierungen
     und traktierten sie mit Stasiüberprüfungen. Diese Beamten unterwiesen die gerade gewählten, noch unsicheren ostdeutschen Politiker
     in westdeutschem Verwaltungsrecht und warfen einen bunten Patchwork-Föderalismus über die fünf neuen Verwaltungsgebiete. Kamen
     die für das Schulwesen zuständigen Beamten aus Bayern, bekam das Bundesland ein Schulsystem nach bayerischem Vorbild, kamen
     die für Bauen und Wohnen zuständigen Verwaltungsbeamten aus Nordrhein-Westfalen, galt nun eine den nordrhein-westfälischen
     Baubestimmungen nachempfundene Landesbauordnung, hatte das Landwirtschaftsministerium eher Beamte aus Schleswig-Holstein angestellt,
     galten für die Landwirte jetzt im Wesentlichen die in Schleswig-Holstein üblichen Richtlinien. Mitunter entstanden bei den
     Gesetzgebungsverfahren auch

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