Abbau Ost
Ostdeutschland bezahlt werden müssen. Es ist kein Geheimnis, dass
die Bezüge des Beamten gegen Ende seiner aktiven Phase am höchsten sind und sich sein Pensionsanspruch auf 75 Prozent, künftig
möglicherweise auch einige noch sehr strittige Prozente weniger, seines letzten Nettoeinkommens beläuft, einschließlich aller
»ruhestandsfähigen« Nebeneinkünfte, wie beispielsweise Weihnachts- und Urlaubsgeld. Es ist ebenso wenig ein Geheimnis, dass
sich Beamte schon früh zur Ruhe setzen und überhaupt nur ein kleiner Teil, etwa jeder Zehnte, bis zur »Regelarbeitsgrenze«
von 65 Jahren im Amt bleibt. Andererseits haben Staatsdiener eine höhere Lebenserwartung als der Bevölkerungsdurchschnitt,
Beamte werden 2,2, Beamtinnen sogar 2,4 Jahre älter, so dass die Ruhestandsbezüge oft zwanzig Jahre gezahlt werden müssen,
bei besonders rüstigen Pensionären sogar über dreißig Jahre lang, wobei nach deren Ableben auch die Hinterbliebenen gesetzlich
abgesicherte Versorgungsansprüche gegen den letzten Dienstherren haben.
|164| Auch wenn dies von den Standesvertretern gern heruntergeredet wird, so wissen die Kämmerer, ihrerseits auch Beamte, vom bloßen
Ansehen der Zahlen: Auf der ganzen Welt gibt es kein so kostspieliges öffentliches Beschäftigungsverhältnis wie das des deutschen
Beamten. In keiner anderen Industrienation bedenkt der Bürger seine öffentlichen Bediensteten derart großzügig wie der deutsche
Steuerzahler. Diese Tatsache schlägt sich besonders in der Höhe der Pension nieder, die im Gegensatz zu den staatlichen Empfehlungen
bei Angestellten (Dreisäulenmodell mit gesetzlicher Rente, Betriebs- oder Riesterrente und privater Vorsorge), den gesamten
Unterhalt des Pensionärs abdecken muss. Das alles zahlt der letzte Dienstherr, ohne dass für den Beamten in der aktiven Phase
auch nur ein Cent fürs Alter zurückgelegt worden wäre. Ostdeutsche Gebietskörperschaften begleichen mit den Pensionszahlungen
alte Rechnungen, die schon zu DDR-Zeiten in der früheren Bundesrepublik angefallen waren. Es kommt vor, dass ein Beamter etwa
zehn Jahre lang zu den Konditionen der westdeutschen Wohlstandsgesellschaft in Ostdeutschland tätig war und nun für ihn und
seine Gattin über drei oder auch fünf Jahrzehnte Pensionszahlungen geleistet werden müssen. Wird das einmal in Relation gebracht,
werden die Pensionskosten gleichmäßig auf die zehn Beschäftigungsjahre verteilt, so kommt die Aufbauhilfe die ostdeutschen
Gebietskörperschaften teuer zu stehen. Andererseits konnten sich westdeutsche Gebietskörperschaften mit der Entsendung der
teuren, manchmal schon etwas in die Jahre gekommenen Beamten, finanziell entlasten, ohne dass bekannt geworden wäre, dass
die Bürger im alten Bundesgebiet spürbare Einschränkungen in der Verwaltungstätigkeit ihrer Kommune oder ihres Landes hinnehmen
mussten.
Nicht unterschätzt werden darf, dass durch die Übernahme des altdeutschen Beamtenverhältnisses auch in Ostdeutschland wieder
jener Teufelskreis in Gang gesetzt wurde, dem sich die Gebietskörperschaften angesichts der zum Zerreißen angespannten Haushaltslage
schwerlich entziehen können. Ein Beamter kann nur wieder durch einen Beamten und nicht etwa durch einen kostengünstigeren
Angestellten ersetzt werden. In diesem Fall müsste |165| der öffentliche Arbeitgeber doppelt zahlen, einmal die Pension für den Ruhestandsbeamten und zum Zweiten die gesetzlichen
Rentenversicherungsbeiträge für den Angestellten.
Die Rückkehr lange überwundener, feudalstaatlicher Verwaltungstraditionen gehörte gewiss nicht zu den Zielen des gesellschaftlichen
Umbruchs in der DDR. Sie wurden dem Beitrittsgebiet vom Westen aufgezwungen. Die über hohe Transferleistungen erbosten Altbundesbürger
müssen erkennen, dass mit einem erheblichen Teil ihrer Transferzahlungen eine Bürokratie finanziert wird, an der ehemalige
DDR-Bürger nicht das geringste Interesse haben.
[ Menü ]
Fünf neue Nehmerländer
In den sechs ostdeutschen Bundesländern leben derzeit (Anfang 2006) 17 Millionen Menschen. Das größte Bundesland, Nordrhein-Westfalen,
hat allein 18 Millionen Einwohner, eine Million mehr als das gesamte Ostdeutschland. Ostberlin wurde sozusagen aus Gründen
der statistischen Berechenbarkeit dem alten Bundesland Berlin zugeschlagen, und gilt als altbundesdeutsches Refugium inmitten
der fünf neuen Länder. Derzeit führt Berlin, aufgrund der von Westberlin mit in die
Weitere Kostenlose Bücher