Abbau Ost
Vereinbarkeit von Beruf und Familie geprägt ist, wird dem Beamten sein Unterhalt bereits
am Anfang des Monats, bevor er überhaupt für das Geld tätig werden konnte, aufs Konto überwiesen, damit er für sich und die
Seinen in einer dem Amte angemessenen Art und Weise sorgen kann. Keine andere Industrienation kann sich so etwas leisten,
und die Bundesrepublik Deutschland kann es auch nicht. Die Wettbewerbsfähigkeit einer Nation hängt davon ab, wie es ihr gelingt,
den weiblichen Bevölkerungsanteil gleichberechtigt ins Arbeitsleben einzubinden, ohne dass Frauen sich zwischen Kindern und
Karriereplänen entscheiden müssen.
Niemand wird ernsthaft bestreiten, dass die DDR auf diesem Weg ein Stück vorangekommen war. Dennoch mag sich heute kaum eine
der sogenannten MeinungsführerInnen uneingeschränkt zu dem bekennen, was in der DDR für Frauen geleistet wurde. Selbst diese
großartigste gesellschaftliche Leistung, derer sich Deutsche seit der Einführung der Sozialversicherungen rühmen |201| könnten, wird zerredet, abgewertet und verschwindet zunehmend in dem Ruch, den heute nahezu alles umgibt, was irgendwie mit
dem zweiten deutschen Staat zu tun hatte. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel dieser Abwertung bietet das öffentlichrechtliche
Fernsehen unter www.damals-in-der-ddr.de, dem »Multimedia-Projekt von MDR und WDR«. Zum Thema Gleichberechtigung heißt es
in dem ›DDR-Onlinelexikon‹: »In den 70er und 80er Jahren gingen immer mehr verheiratete Frauen und Mütter von einer Vollbeschäftigung
zur Teilzeitarbeit über, zugleich sank auch die Geburtenrate stark herab und die Anzahl der Ehescheidungen nahm kontinuierlich
zu. Dies hatte zum größten Teil seine Ursache in dem Versuch, berufliche, gesellschaftliche und häusliche Aufgaben miteinander
zu vereinbaren – ein Problem, das die Frauen in den meisten Fällen allein zu lösen hatten. Die SED versuchte nun ihrerseits,
die Vergünstigungen für Familien, Mütter und Frauen zu verstärken. Allerdings trafen diese sozialpolitischen Vergünstigungen
nur für Frauen zu. So verließ auch die DDR mit ihren viel gepriesenen sozial- und frauenpolitischen Leistungen nicht das traditionelle
Leitbild von Frau und Mutter. In der DDR ging es nur um die ›Lösung der Frauenfrage‹, nicht aber um die Emanzipation der Geschlechter
von Geschlechterordnungen. Es ist eine Tatsache, dass Frauen als Arbeitskräfte eine wichtige Ressource der sozialistischen
Planwirtschaft waren. Man darf trotz aller objektiven Vorteile für die Frauen und ein in den Jahren gewachsenes Selbstbewusstsein
der arbeitenden Frauen dennoch nicht übersehen, dass durch die paternalistische Gleichberechtigungspolitik letzten Endes zementiert
wurde, dass allein ›Vater Staat‹ bestimmte, was für die Frauen gut sei: die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Mehr noch,
der Maßstab der Gleichberechtigung war männlich bestimmt und orientierte sich vor allem an beruflichen Leistungen und Karrieren.«
Dieser Text misst die Gleichstellungssituation in der DDR an der westdeutschen Emanzipationsbewegung und spiegelt nicht die
Erfahrungen und das Lebensgefühl in Ostdeutschland aufgewachsener Frauen wider. Offensichtlich hat hier jemand über die Situation
der Frauen in der DDR geschrieben, der dies nicht aus |202| eigenem Erleben kennt. Es gibt einige unabänderliche Tatsachen zwischen Mann und Frau, an denen auch die Emanzipation nichts
ändert. Der Mann kann in der Beziehung die variabelsten Positionen einnehmen und seine traditionelle Geschlechterrolle weitgehend
ablegen, aber er wird niemals das Baby stillen. Und wenn das Kleine schreit, wird sie die Erste sein, die aufwacht. Die westdeutsche
Emanzipationsbewegung ist auf einem Irrweg, wenn sie meint, durch die Abschaffung der traditionellen Geschlechterordnung ließe
sich Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau herstellen. Es wird immer Frauen geben, die mit großen Augen zu einem Mann
aufblicken und dabei von einem warmen Gefühl durchströmt werden. Entscheidend ist doch, dass sie, wenn ihr Blick wieder klar
wird, wirtschaftlich unabhängig sind und eigene Rentenansprüche erworben haben. Die Auseinandersetzung mit traditionellen
Geschlechterrollen gehört in die Privatsphäre von Mann und Frau. Einige Paare werden möglicherweise neue Formen des Zusammenlebens
für sich entdecken, andere Beziehungen kann das bewusste Ausleben traditioneller Rollenmodelle durchaus stabilisieren.
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