Abbey Road Murder Song
Hand drückte. Noch immer verschwitzt, fächerten sich die Frauen mit den Flugblättern Luft zu, die Männer lehnten sich an die Schaufenster der Geschäfte und rauchten. Nach dem Gesang war die Atmosphäre jetzt gedrückt.
Breen fand Tozer, die sich mit Mrs Briggs unterhielt.
»Natürlich ist das Foto echt«, sagte Mrs Briggs gerade. »Der Junge verhungert.«
Tozer hielt eine Flasche Bier in einer Hand und ein Flugblatt mit dem Foto eines afrikanischen Kindes in der anderen. Sie hatte ihre hohen Schuhe ausgezogen und stand nun barfuß auf dem Bürgersteig. »Wenn er verhungert, wieso hat er dann so einen dicken Bauch?«
»Haben Sie schon mal was von Kwashiorkor gehört? Das ist einer der ganz wenigen westafrikanischen Begriffe, die Eingang in die medizinischen Wörterbücher gefunden haben«, sagte Mrs Briggs. »Das sagt einiges aus, wir bringen den Afrikanern Shakespeare bei, übernehmen von ihnen aber nur Wörter wie dieses. Es stammt aus Ghana und bezeichnet eine Mangelerkrankung. Sie sollten sich von Sam erklären lassen, wie es zu den aufgeblähten Bäuchen kommt. Soweit ich weiß, hängt das mit dem Versagen der Leber zusammen.«
»Wie schrecklich. Wurde das Bild in Biafra aufgenommen?«
»In einem unserer Auffanglager. Ja. Hunderttausende kleine Kinder sind dort. Der Junge starb zwei Tage nachdem die Aufnahme gemacht wurde. Hunderte sterben jeden Tag. Das ist menschenunwürdig.«
»Fürchterlich.«
»Ein Gräuel«, sagte Okonkwo und trat zu ihnen. »Darf ich Sie etwas fragen? Welches Gefühl weckt das in Ihnen?«
»Ich weiß nicht. Wut?«
»Macht es Sie auch wütend, dass Ihre Regierung dazu beiträgt, dass all dies geschieht?«
»Ich denke schon«, sagte Breen.
»Sie haben allen Grund wütend zu sein. Ich kann Ihnen ein paar Flugblätter geben, wenn Sie möchten. Wir wollen, dass alle die Wahrheit über Biafra erfahren. Verstehen Sie? Damit der Junge nicht umsonst gestorben ist.«
»So was zu sagen, ist schrecklich«, sagte Tozer. »Das klingt fast, als wären Sie froh, dass er tot ist.«
Ezeoke kam und nahm Tozer das Flugblatt ab.
»Das habe ich mir gerade angesehen«, protestierte sie.
»Sind Sie mit Ihren Ermittlungen weitergekommen?«
Im orangefarbenen Licht der Straßenlaternen wirkte Ezeoke müde und erschöpft.
»Nicht seit unserer letzten Begegnung.«
Ein Junge auf einem Motorroller fuhr vorbei, bremste kurz ab, um einen Blick auf die ungewöhnlich große Gruppe Schwarzer mitten in Soho zu werfen, dann gab er Gas und sauste die Broadwick Street runter.
»Sie kommen mir nicht vor wie ein Mann, der gerne Partys besucht«, sagte Ezeoke. »Vielleicht ermitteln Sie ja auch jetzt gerade?«
»Das stimmt, er geht nicht gerne auf Partys, aber ich hab ihn trotzdem mitgeschleppt«, sagte Tozer.
»Das erklärt, weshalb Sie so viel besser tanzen als er.«
Tozer lachte. Der junge Mann war noch immer an ihrer Seite. Er versuchte, ihr den Arm um die Taille zu legen, aber sie schob ihn weg, machte sich los. »Finger weg.«
»Warum?«, sagte er. »Ich will nur nett sein.«
»Diese Art von nett kenne ich«, sagte sie immer noch lachend, entfernte sich aber nicht von ihm.
»Alles klar?«, fragte Breen.
»Natürlich.«
»Du vernachlässigst deine wunderschöne afrikanische Frau, Samuel«, sagte Okonkwo.
»Ja, Mazi-Okonkwo. Du hast recht. Du hast immer recht. Ich will Ihnen ein bisschen was über Mr Okonkwo erzählen«, sagte Ezeoke. »Er ist unser Propagandaminister, und als solcher betrachtet er jedes hungernde Baby als Gottesgeschenk. Er glaubt, er kann die Briten so sehr beschämen, dass sie die Seiten wechseln. Dabei versteht er nicht, dass sich die Briten für überhaupt nichts schämen. Aber für ihn zählt immer nur der Zweck, ob Menschen leben oder sterben, ist ihm völlig egal.«
»Bist du betrunken, Sam? Geh nach Hause, bevor du etwas sagst, das du später bereust«, sagte Okonkwo.
»Ich bin nicht betrunken.«
»Hat mir deine Frau nicht erzählt, du müsstest morgen früh irgendwohin fliegen? Ezinwa? Solltest du deinen Mann nicht nach Hause bringen?«
Mrs Ezeoke unterhielt sich mit einer anderen Frau, ignorierte Okonkwo.
»Wohin fliegen Sie, Mr Ezeoke?«, fragte Breen.
»Nach Belgien. Ich besuche eine Konferenz über die möglichen Zusammenhänge zwischen Herzerkrankungen und dem Rauchen.«
»Und das bedeutet, du solltest ins Bett gehen.«
Ein hellblauer Polizeiwagen bog langsam in die Wardour Street ein und kam auf sie zugefahren. Die Männertraten von der Straße auf den
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