Abbild des Todes
Moment verstehen, wenn sie deine E-Mail erhält.”
“Welche E-Mail?”
Er nickte in Richtung des Laptops auf dem Tisch. “Die, in der du erklärst, dass du gerade einen Hinweis zu Lola bekommen hast und ein paar Tage wegmusst.”
“Das mache ich nicht! Ich werde diese E-Mail nicht schreiben, und du kannst mich nicht dazu zwingen.”
“Das muss ich gar nicht. Ich habe sie schon geschrieben und das Ganze so aussehen lassen, als hättest du sie verschickt.”
Sie erinnerte sich an die kurze Erklärung, die er ihr am Vormittag gegeben hatte. “Du bist Lonesome Me”, stieß sie atemlos hervor. Das war keine Frage, sondern eine Feststellung. “Du kanntest dich mit falschen Registrierungen und kabellosen Verbindungen schon aus, bevor du dich mit deinem Kollegen aus der Abteilung für Computerkriminalität unterhalten hast.”
“Ich denke, man kann mich ruhig als einen Experten in Sachen Wi-Fi-Technologie bezeichnen.”
Zoe schluckte. “Es ist mir nie in den Sinn gekommen, an dir zu zweifeln. Du warst der letzte Mensch auf Erden, den ich verdächtigt hätte, irgendein Verbrechen zu begehen. Ich habe dir mein Leben anvertraut.”
“Du kannst mir immer noch vertrauen.”
Sie lachte. “Ja, klar.”
“Was meinst du, warum ich dich hierher gebracht habe?”
“Um mich zu begraben?”
“Um mir etwas Zeit zum Nachdenken zu verschaffen. Ich habe das hier nicht geplant. Und jetzt muss ich überlegen, was ich als Nächstes tue.”
Wenn er das ehrlich meinte, wenn er nicht vorhatte, sie umzubringen, hatte sie vielleicht eine Chance, ihm zu entkommen.
Noch einmal ließ sie den Blick durch den Raum schweifen, um sich von den Gedanken an ihre missliche Lage zu befreien – aber dieses Mal nahm sie alle Details bewusst wahr, die ihr vorher nicht aufgefallen waren. Zwei Belobigungen, die Joes Mut und Tapferkeit priesen, hingen an einer Wand. Zwischen ihnen ein Bild von Joe in Uniform, wie er neben dem ehemaligen Bürgermeister von New York, Rudy Giuliani, stand. Auf einem niedrigen Tisch vor dieser Wand waren Zeitschriften säuberlich aufgestapelt. Es mussten mehr als ein Dutzend Ausgaben sein. Sie konnte die oberste Zeitschrift erkennen, auf deren Titel ein weiteres Bild von Joe prangte, ebenfalls in Uniform. Das Foto zeigte, wie ihm eine Medaille überreicht wurde. Die Bildunterschrift lautete: “Ein Held aus dem Volk.”
“Er ist ein Mensch, der sich nach Anerkennung sehnt”, hatte Lizzy ihr über Lonesome Me gesagt. “Er mag es nicht, ignoriert zu werden.” Beim Blick auf all die Preise und Auszeichnungen fiel Zoe auf, wie sehr diese Beschreibung auf Joe zutraf.
“Ist das hier dein Haus?”
“Bist du überrascht?”
“Du hast mir nie davon erzählt.”
“Es ist mein geheimer Rückzugsort, ein Platz, wo ich mich aus dem täglichen Stress zurückziehen und wirklich entspannen kann. Als ich es gekauft habe, war es nicht mehr als ein Schuppen. Die letzten achtzehn Monate habe ich daran gearbeitet, es zu dem zu machen, was es heute ist.”
Er hatte sich beruhigt, also ließ sie ihn einfach reden. “Ich habe alles selbst gemacht”, fuhr er fort und wirkte dabei sehr stolz. “Ich habe neue Fußböden verlegt, die Wände überholt, den Kamin aufgemauert. Jetzt wird es leider schon dunkel, aber warte, bis du die Gegend siehst. Das Haus steht auf einem Hügel, und der Ausblick ist atemberaubend.”
Er sprach, als wären sie frisch verheiratet und gerade in ihr erstes gemeinsames Haus gezogen.
“Es gibt sogar einen See in der Nähe, auf dem man im Winter Schlittschuh laufen und im Sommer angeln kann. Genau so, wie du es mit Rick immer getan hast. Findest du nicht, dass das Haus sehr viel Ähnlichkeit mit seinem in Connecticut hat?”
Hatte er es deshalb gekauft? Weil es ihn an Ricks Landhaus erinnerte? Ein Schauer überlief sie. Das war unheimlich. “Hättest du nicht ein Haus kaufen können, in dem es auch Strom gibt?”
“Das ist nur ein Stromausfall. Es sollte in einer Stunde oder so wieder Strom geben.”
“Weiß irgendjemand von diesem Haus?” Sehr wahrscheinlich nicht, sonst hätte er sie wohl nicht hierher gebracht.
“Nein. Nicht einmal meine Mutter.”
“Warum machst du so ein großes Geheimnis daraus?”
“Das ist ganz einfach: Wenn meine Familie wüsste, dass es dieses Haus gibt, wären sie alle ständig hier – jedes Wochenende, jede Ferien. Es würde zugehen wie im Taubenschlag.”
“Wo wir gerade von deiner Mutter sprechen: Hast du dir mal überlegt, was du ihr damit
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